zum Hauptinhalt

Links und rechts der Langen Brücke: Wo der Staat steht

Sabine Schicketanz über Potsdams bekanntesten Spazierweg – und seine ungleich größere Bedeutung

Stand:

Es ist die Nachricht der Woche: Potsdam kann wieder damit rechnen, am Babelsberger Ufer des Griebnitzsees spazieren zu gehen. Sehr wahrscheinlich wird es noch Jahre dauern, bis der Uferweg tatsächlich gebaut werden kann, doch die Chance immerhin, die gibt es jetzt wieder. Der Bund – die Bundesregierung, der Bundesfinanzminister, sein Ministerium – haben entschieden, die ehemaligen Mauergrundstücke an die Stadt Potsdam zu verkaufen.

Vielfach ist es in den vergangenen Tagen gesagt worden: Nur mit diesen Grundstücken kann Potsdam erneut den Anlauf machen, den ehemaligen Kolonnenweg der DDR-Grenzer zum legalen Spazierweg für Jedermann zu machen. Dabei stehen Verwaltung und Stadtspitze ab sofort unter doppeltem Erfolgsdruck. Fehler dürfen nicht mehr passieren – sie häuften sich bekanntlich in den Vorjahren. Potsdam muss absolut professionell planen, verhandeln, notfalls enteignen. Wenn es jetzt nicht klappt mit dem Uferweg, dann liegt die Verantwortung dafür bei der Stadtspitze. Und zwar nur dort.

Doch im Fall Griebnitzsee lohnt sich der Blick über die Stadtgrenze, den kommunalpolitischen Tellerrand. Der Blick ist sogar nötig, um die politische Brisanz, die die Auseinandersetzung bis in die Bundespolitik trieb, zu verstehen. Längst ist die Entscheidung pro oder contra Uferweg viel mehr als ein Votum über einen Spazierweg. Am Griebnitzsee-Ufer stehen Gemeinwohl gegen Einzelwohl, Geschichte gegen Gegenwart, Diktaturverbrechen gegen Demokratieerrungenschaften.

Dabei hat sich jetzt eine Frage geklärt: Es ist jetzt klar, wo der Staat steht. Er steht dort, wo er hingehört. Mit der Griebnitzsee-Entscheidung ist ein Wert auf der politischen Skala markiert: Die Bundesrepublik wird nicht – mit kleineren Abstrichen – von einem Konzern regiert, der Gewinnmaximierung und dabei seine Klientel bedienen will, koste es, was es wolle, im Notfall auch das Vertrauen der Bürger.

Der Uferweg am Griebnitzsee mag nur ein Spazierweg sein. Aber seine Bedeutung ist ungleich größer: Er forciert die Suche nach Antworten auf Fragen unserer Zeit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })