Landeshauptstadt: Wo die Metzger Steuern zahlten
Im Blickfeld von Sanssouci gelegene Turmvilla Gregor-Mendel-Straße 24 wird saniert und restauriert
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Jäger-Vorstadt - Der Turm des Gebäudes Ecke Schopenhauer- und Gregor-Mendel-Straße leuchtet bereits wieder in frischem ockerfarbenem Putz, sein neu eingedecktes Dach hat wieder eine Spitze mit Wetterfahne erhalten. Damit begann die Sanierung und Restaurierung des Hauses Gregor-Mendel- Straße 24, das 1887 errichtet wurde. Der (heute nicht mehr bekannte) Baumeister wählte dafür die Form einer Turmvilla in italisierendem Stil, obwohl deren Zeit seit Persius und Hesse eigentlich schon vorbei war.
Die neue Eigentümerin möchte die Turmvilla künftig als ihren Wohnsitz nutzen. Sie hat aber auch eine Vision, nämlich im Erdgeschoss ein intimes kleines Café einzurichten. Auf jeden Fall stellt die Wiederherstellung des denkmalgeschützten Gebäudes einen wertvollen Beitrag zur Aufwertung des Stadtbildes an dieser exponierten Stelle im Blickfeld der Sanssouci-Touristen dar.
Der mit der Planung beauftragte Architekt Philipp Jamme geht davon aus, dass das am Übergang von der Landschaft zur Stadt und gegenüber der zum Schloss Sanssouci hinauf führenden Wachtreppe gelegene Gebäude an der Ecke der damaligen Obelisken- und Marienstraße optisch hervorgehoben werden sollte. Darauf weist auch hin, dass der Turm zwar einen Blickpunkt setzt, im Inneren aber keine Funktion besaß. Eine als Haupteingang dienende säulengestützte Loggia und eine ursprünglich aufwändig mit Stuckelementen gegliederte Fassade betonten den repräsentativen Charakter. Ulrike Bröker vermutet in ihrem Buch über die Potsdamer Vorstädte, dass womöglich die Hofgartendirektion direkt Einfluss auf die Gestaltung genommen hat.
Um so nüchterner das Innere. In den schmucklosen Räumen mit einfachen Farbfassungen ganz ohne Stuck arbeiteten nämlich Finanzbeamte, die vom Metzgerhandwerk in Potsdam und Umgebung die Steuern kassierten. Deshalb wurde das Gebäude Steuerhaus genannt. 1892 wurde es um einen Anbau erweitert, 1910 für die Wohnnutzung umgebaut. Die Einfachfenster wurden dabei zu Kastenfenstern ergänzt und das Obergeschoss vom Treppenhaus getrennt, dessen Geländer durch Lasierung den Eindruck erwecken sollte, es bestehe aus edlen Hölzern. Die Treppe und Wohnung trennenden Türen erhielten kleine Fenster aus Ornamentglas. So haben sich also doch auch im Inneren liebenswerte Details erhalten, die bewahrt und restauriert werden.
Bei der Potsdamer Denkmalpflege, mit der Jamme gut zusammenarbeitet, befinden sich Bauakten aus dem Jahr 1934. Demzufolge wurde das Haus nochmals umgebaut. Damals wurden die Stuckarbeiten an der Fassade weitgehend entfernt und ein dunklerer Fassadenton gewählt. Davon gehen der Architekt und Rainer Roczen vom Bereich Denkmalpflege aus, nachdem beim Abklopfen der Putzschicht unter Erkerfenstern und dann auch im Obergeschoss Reste der ursprünglichen Gliederung und Farbgebung gefunden wurden. Diese Gliederung ist auf alten Plänen dargestellt; es war aber nicht klar, ob sie so ausgeführt wurde. Die Eigentümerin hat nach diesem überraschenden Befund beschlossen, die Stuckelemente der Fassade wiederherzustellen.
Der aus Essen stammende Philipp Jamme ist nach dem Architekturstudium in Karlsruhe und Wien und anschließender beruflicher Tätigkeit in Berlin 1996 mit seiner Familie nach Potsdam gezogen und führt hier seit 1999 sein eigenes Büro. Auf dem Gebiet der Denkmalpflege hat er seitdem u.a. dem Gontardschen Barockhaus Am Bassin 3, dem Inneren der Französischen Kirche und mehreren Estorffschen Landhäusern am Neuen Garten aus den 1920/30er Jahren ihre Schönheit zurückgegeben. Bei der Turmvilla Gregor- Mendel-Straße 24 sind wiederum denkmalerfahrene Unternehmen aus Potsdam und Umgebung seine Partner, so die Roland Schulze Baudenkmalpflege GmbH, der Maler und Restaurator Matthias Boehlke, die Brandenburger Tischlerei Ribguth und die in Göhlsdorf ansässige Kunstschmiede Leddin & Schmülling. Das restauratorische Farbgutachten erstellte Ulrich Schneider.
Erhart Hohenstein
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