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Sophie Inacker ist nicht nur Preisträgerin des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten, sie ist auch Schülersprecherin, Redakteurin der Schülerzeitung – und außerdem Sängerin in der Schulband.

© J. Bergmann

Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten: Wo sind die Helden der jungen Generation?

Die Humboldt-Schülerin Sophie Inacker hat eine Arbeit über einen Außenseiter geschrieben und damit den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten gewonnen. Als einzige Schülerin aus Potsdam.

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Potsdam - Wenn sie nur mehr Zeit hätte. Sophie Inacker, 17 Jahre alt, ist vieles: Schülerin und Abiturientin, Schulsprecherin des Humboldt-Gymnasiums, Gründerin und Redakteurin der Schülerzeitung und Mitglied der Schülerband. Da bleibt für ein Gespräch über das, was sie noch ist, nämlich Gewinnerin des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten 2014/2015, nur eine knappe halbe Stunde, zwischen Unterrichtsschluss und Bandprobe. Am 3. Oktober, dem 25. Jahrestag der Deutschen Einheit, soll die Band „Encore“ beim Stadtfest in Teltow auftreten. Am heutigen Mittwoch ist erstmal Preisverleihung im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Vormittags, wenn doch eigentlich Schule ist. „Das versteh ich eigentlich nicht“, sagt sie.

Und für noch etwas fehlt ihr das Verständnis – dass ihre Generation als verwöhnt, konfliktscheu und opportunistisch bezeichnet wird. So schreibt sie es in der Arbeit, für die es den Preis gab. Und so sagt sie es auch an diesem Nachmittag, als sie durch die Schule hetzt, rüber zum Probenraum, wo man auf sie wartet. Lethargisch sollen sie sein, angepasst, Couchpotato? Und schon gleich gar nicht aufständisch?

Wo sind die Helden der Generation Y?

„Generation Y – gehen uns die Helden aus?“, hat sie deshalb ihre Arbeit genannt. Und fragt, wo die Helden wie Nelson Mandela, Sophie Scholl oder Dietrich Bonhoeffer ihrer eigenen Generation wohl sind. Das vom Bundespräsidenten vorgegeben Thema lautete: „Anders sein. Außenseiter in der Geschichte“. Das passt gut zusammen. Auf die Idee kam ihre Geschichtslehrerin. Die schlug vor, dass Sophie eine Facharbeit scheibt und doppelt verwurstet, als Leistungsnachweis und beim Wettbewerb. Das hat geklappt. Schon im Mai bekam die Schülerin Bescheid, dass sie eine von 18 Gewinnern aus dem Land Brandenburg ist, die einzige aus Potsdam. „Ich war total überrascht, ich hab doch gar nichts Besonderes abgegeben. Andere waren viel kreativer, haben Filme oder Theaterstücke produziert.“ Warum sie gewonnen hat, weiß sie nicht. Vielleicht, weil das Thema immer aktuell bleiben wird, wieder ist. Seine Meinung zu sagen, das ist heute zwar einfach. Aber sich mit denjenigen, die sie sagen, auseinanderzusetzen, das ist es nicht immer. „Wir haben auch eine in der Klasse, die ziemlich rechte Ideen hat. Die kann man nicht überzeugen. Aber man kann, man muss mit so jemandem reden“, sagt die Zwölftklässlerin.

Sophie Inacker wurde in Hamburg geboren, ihre Eltern zogen kurz darauf nach Kleinmachnow. Sie sagt, sie ist eine der wenigen mit westdeutscher Herkunft. Ob man sozusagen Ossi oder Wessi ist, das spielt in ihrer Generation keine Rolle mehr. Für die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist im Unterricht leider immer weniger Zeit. Selbst im Leistungskurs, sagt sie, wird vieles nur noch oberflächlich betrachtet. Dabei findet sie das Thema wichtig und spannend. „Man muss sich eben alles selbst anlesen.“ Das hat sie getan. Ihr Vater ist Journalist, ein Freund der Familie ist Ulrich Schacht: Von dessen Biografie war sie immer beeindruckt. Schacht wurde im Frauengefängnis Hoheneck geboren, wuchs ohne Mutter auf, studierte später Theologie, äußerte sich staatskritisch, wanderte selbst in den Knast und wurde schließlich vom Westen freigekauft. Und wurde so zur Hauptfigur ihrer Facharbeit. Die Schülerin führte mit Schacht ein Interview. Sie forschte nach, welche gesellschaftlichen und juristischen Folgen das Anderssein in der DDR hatte und besuchte das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Das hat sie ziemlich beeindruckt, unter welchen Haftbedingungen man dort einsaß.

Sophie Inacker: "Wir reden mehr"

Dass ihrer Generation Bequemlichkeit vorgeworfen wird, sei ein Schock für sie gewesen. Sind sie wirklich so? Und wenn ja, warum? „Möglicherweise liegt es ja auch daran, dass es weniger krasse Ungerechtigkeiten in unserer heutigen Welt gibt“, sagt sie. „Wir gehen vielleicht auch einen anderen Weg. Wir sind pragmatischer, wir reden mehr, anstatt zu demonstrieren.“ Als beim Umbau des Schulgebäudes die Meinungen von Lehrern und Schülern auseinandergingen, protestierten einige Schüler mit einem Sitzstreik. „Wir haben dann mit den Lehrern gesprochen, das hat mehr geholfen“, sagt sie.

Heute also hat sie schulfrei und nimmt ihren Preis entgegen. Bundespräsident Joachim Gauck wird leider nicht dabei sein. Geschichte wird sie übrigens nicht studieren. Das sei ihr dann doch zu trocken, sagt sie. Dann eher Musik oder Kommunikation und Marketing.

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