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Geoforschung aus Potsdam: Woher das Leben kam
Potsdamer Geoforscher haben Mikroorganismen ins All geschickt – und wollen Wärme aus der Tiefe holen
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Teltower Vorstadt - Vom Telegrafenberg in den Orbit – und wieder zurück: Eine Ladung Mikroorganismen, wie es sie auch in sibirischen Permafrostböden gibt, haben die Potsdamer Geoforscher im vergangenen Sommer zur Internationalen Raumstation ISS geschickt. Unter marsähnlichen Bedingungen müssen sich die Lebewesen dort oben momentan behaupten, in diesem Jahr sollen sie wieder zurückgeholt werden. Dann wird es spannend: Haben die Organismen ohne Sauerstoff und Sonne überlebt? Und wenn ja, wie? „Wir wollen damit dem Ursprung des Lebens auf der Erde auf die Spur kommen“, erklärte GFZ-Vorstandschef Reinhard Hüttl am gestrigen Donnerstag bei der Vorschau auf anstehende Forschungsvorhaben der Potsdamer Geowissenschaftler. Letztlich geht es um Grundfragen: Ist Leben nur auf der Erde möglich? Oder ist das Leben irgendwann einmal „von außen“ auf die Erde gekommen, wurde unser Planet „beimpft“, wie Hüttl es ausdrückt.
Geomikrobiologie nennen die Geoforscher diesen vergleichsweise jungen Zweig. Auf dem Telegrafenberg soll dafür im kommenden Jahr ein neues Labor, das auf gut 1400 Quadratmetern Fläche Platz für rund 50 Forscher bieten soll, entstehen, wie Hüttl sagte. Auch der zentrale Serverraum für das GFZ soll in dem Neubau unterkommen – und die Abwärme der Rechner dann zu Heizungszwecken für die Labore oder Büros verwendet werden. Derzeit wird nach einem Architekten für die Aufgabe gesucht.
Neue Wege bei der Wärmeversorgung von Metropolregionen will das GFZ in diesem Jahr ebenfalls austesten: Einerseits soll in Indonesien ein Demo-Erdwärmekraftwerk in Betrieb genommen werden, bei dem es auch um Energieerzeugung mittels Geothermie geht, erklärte Hüttl. Aber auch vor Ort wollen die Geoforscher mit Erdwärme experimentieren: Geplant sei eine Erdwärmebohrung in Berlin-Charlottenburg, unweit des Bahnhofs Zoo. Bis zu 800 Meter tief wollen die Forscher dort in Kooperation mit der Technischen Universität Berlin bohren – mehr als doppelt so tief wie der Fernsehturm hoch ist. Von den Ergebnissen erhoffe man sich Aufschluss über mögliche neue Kreislauf-Systeme zur Wärmeversorgung in großen Städten. Die Geothermie gilt als neue Hoffnung im Bereich der regenerativen Energien.
Einen Kreislauf zur Gewinnung von Energie haben die Forscher bereits für das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) entwickelt – und erfolgreich zum Patent angemeldet, so Hüttl. Bei der sogenannten „Power-to-Gas-to-Power“-Technologie werde ein geschlossener Kohlendioxidkreislauf mit einem Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk kombiniert. Das CO2 wird dabei mittels Wasserstoff zu Methangas umgewandelt – ein Stoff, der dem Erdgas ähnlich ist und auch so genutzt werden könne. Auch das umstrittene CCS-Verfahren, also das Verpressen von Kohlendioxid im Boden, haben die Potsdamer Forscher trotz abgeschlossenem Pilotprojekt in Ketzin noch nicht aufgegeben. Mit Kohlendioxid, das in den Boden gepumpt werde, könnten die Förderquoten bei der Erdgasgewinnung wesentlich verbessert werden, sagte Hüttl. Bisher könne ein erheblicher Teil des Erdgases nicht aus den natürlichen Lagerstätten geholt werden, weil der Druck nachlasse, je mehr Gas bereits abgebaut ist. Die Lösung könnte in die Erde gepumptes Kohlendioxid sein.
Auch zum Erdschwerefeld wollen die Geoforscher weiter arbeiten. Im Februar soll bei Airbus in Immenstadt am Bodensee darüber entschieden werden, wie Grace-FO genau aussehen soll – gemeint ist der Nachfolger der 2002 gestarteten Grace-Tandem-Satelliten Tom und Jerry. Im Sommer 2017 soll Grace-FO in den Orbit kommen – erneut in Kooperation mit der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa. Die Grace-Daten sind unter anderem Grundlage für die sogenannte „Potsdamer Kartoffel“, ein einmalig genaues Modell der Erdanziehung. Dieses Modell bietet auch erstmals eine feste Referenz für den Punkt Normalnull, erklärt Hüttl – in Kanada werde das bereits zur Bestimmung von Höhen genutzt. Das GFZ hat den Angaben zufolge einen jährlichen Etat von rund 95 Millionen Euro, 40 Prozent davon sind Drittmittel.
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