Von Peer Straube: Wortgefechte um Knobelsdorff
Das Gästebuch in der Infobox zum Landtagsneubau am Alten Markt ist eine spannende Lektüre mit kontroversen Einträgen
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Innenstadt - Der Märchenkönig, natürlich. Sonnenklar, dass der Vergleich mit den Prunkschlössern von Neuschwanstein oder Herrenchiemsee in dem rot gebundenen Buch auftaucht. „Ludwig II. aus Bayern lässt grüßen!“, steht da, und weiter: „Warum war es nicht möglich, einen zeitgemäßen Bau zu planen? Eine fürchterliche Katastrophe!“
Eines wird beim Durchblättern des Gästebuchs in der Landtags-Infobox am Alten Markt schnell offenbar: Der Wiederaufbau des Knobelsdorffschen Stadtschlosses als neuer Landtag Brandenburgs spaltet die Nation ebenso wie die Potsdamer selbst. Bittere Vorwürfe halten sich mit Glückwünschen die Waage. Es ist ein erstaunlich buntes und internationales Panoptikum.
Da gibt es zunächst die große Fraktion jener, die mit „Steuerzahler“ unterschreibt und daher zwangsläufig mit der Kombination Schloss / Baukosten hadert, nicht selten gepaart mit einem gehörigen Schuss Ost-West-Sarkasmus. „Das Land muss sehr reich sein“, heißt es etwa, „aber die Bayern und die Schwaben, die bringen ihre Gaben.“ Oder: „Wie soll das gehen? Historische Gebäude neu bauen, Griechenland kaufen und in den gebrauchten Bundesländern verfällt alles!!!“, schreibt ein D.S. „aus NRW (einst blühend)“ verbittert. Ein Hesse konstatierte eine „unglaubliche Geldverschwendung“, ein Baden-Württemberger vermutet gar Wahnsinn hinter dem Projekt: „Sind unsere Politiker jetzt völlig durchgeknallt?“. Unterstützung erfährt er von einem Nordrhein-Westfalen, der am Alten Markt gar Rosamunde-Pilcher-Romantik heraufziehen sieht: „Kann mich nur anschließen – ekeliger Kitsch.“ Ein Potsdamer erkennt einen feigen Anschlag auf die moderne Architektur: „Preußen-Disney tötet den Städtebau des 21. Jahrhunderts.“ „Es reicht!“, meint ein Brandenburger, der für „solche Eitelkeiten“ kein Geld mehr ausgeben will und Bußfertigkeit von seinen Landsleuten einfordert: „Schämt euch, ihr Brandenburger!“ Darunter mischen sich „schlossgeplagte Berliner“, die sich ebenfalls ins Sarkasmus flüchten: „Lang lebe der preußische Größenwahn!“ Ein Schwabe empfiehlt im Namen der „geduldigen Steuerzahler“, „lieber einen schönen Park zu bauen“ und das „restliche Geld zu sparen“. Die Replik kommt ebenfalls von der anderen Seite der Elbe. „Ihr immer mit euren Kosten. Baut das Ding!“, schlägt ein Jörg Wehr verbal mit der Faust auf den Tisch und fügt als Postskriptum hinzu, dass er seine Steuern in NRW zahlt.
Mitunter liefern sich die Besucher regelrechte Wortgefechte auf den Gästebuchseiten. Ein Professor bemerkt etwa ironisch: „Potsdam hat ja sooo wenige Schlösser und wir haben ja sooo viel Geld.“ Worauf ein Anonymer kontert: „Geld ist das Argument kleingeistiger Krämerseelen. Wer Potsdams / Deutschlands historische Mitte bewahrt, baut an Deutschlands Zukunft!“ Dahinter hat jemand „Vergangenheit!“ geschrieben.
Eine „Steuerzahlerin“ ätzt: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr – Wahlspruch deutscher Politik.“ „Genau deshalb wird die Zier von einem Spender finanziert“, kommt prompt die Antwort von einem „deutschen Steuerzahler“ in Anspielung auf die 20-Millionen-Euro-Spende Hasso Plattners für die historische Fassade. Letzterer bekommt sogar namentliches Lob: „Jauch und Plattner sei Dank! Ihnen und vielen anderen verdanken wir dieses großartige Projekt“, jubelt Ulrich Busch aus Zehlendorf.
Vor allem Ausländer staunen und freuen sich über den Wiederaufbau. „This will be a beautiful place“, das wird ein wunderschöner Platz, sind sich Allan und Margaret Robertson aus Aberdeen in Schottland sicher. „Bonne Chance“, viel Glück, wünscht ein Franzose, ein Pariser schwärmt beeindruckt von einem „mutigen und ruhmreichen Projekt“. „Klar, es kostet Geld“, schreibt eine Marburgerin sachlich, „aber wo so vieles sinnlos verpufft, wird hier etwas Bleibendes, Schönes wiederhergestellt, dessen Anblick bereits der Seele guttut“.
Bei allem Widerstreit – eines ist das Gebäude schon jetzt, obwohl es noch gar nicht steht: ein Tourismusfaktor. Als Beleg sei stellvertretend für mehrere ähnlich lautende Einträge die Notiz einer Familie aus Osnabrück genannt: „Viel Erfolg bei dem Bauprojekt – wir sehen uns 2013.“ Dann soll Knobelsdorff bekanntlich wieder stehen.
Die Infobox zur Schaustelle des Landtagsneubaus am Alten Markt ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
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