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Landeshauptstadt: Zackenbarsch mit Zimt

Sven Döring erzählt, wie er vom Versicherungsmakler zum Fischhändler wurde

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Solche Geschichten hört einfach jeder gerne. Ein Versicherungsmakler macht nach zwölf Jahren in der Branche Schluss mit dem drögen Job und widmet sich dem, was er wirklich mag: Kochen mit Fisch. Dabei löst der gebürtige Hamburger nebenbei ein Problem, das ihn seit seinem Umzug nach Potsdam beschäftigte: Wo bekommt man in der Landeshauptstadt Fisch, der nicht aus der Havel kommt - und aus ökologisch-nachhaltigem Fang stammt?

Sieben Jahre später und einige Rückschläge klüger läuft das Geschäft von Sven Döring heute so gut, dass er sogar expandieren will. „Fish to Friends“ heißt die Firma des Wahlpotsdamers. Fangfrischen Fisch aus dem Atlantik liefert der 44-Jährige auf Bestellung von Donnerstag bis Sonntag persönlich frei Haus - Rezeptvorschläge wie den „Zackenbarsch mit Zimt und Tomate“ inklusive. Den Fisch bezieht Döring zum größten Teil aus einem Fischerdorf in Galizien, im Nordosten Spaniens, wie er berichtet.

Dass der Fischliebhaber jemals Versicherungen verkauft hat, ist kaum noch vorstellbar, wenn man den kleinen drahtigen Mann in Jeans und knallrotem Fisch-T-Shirt erlebt. Gemeinsam mit Christian Meissner von der Babelsberger Fleischerei Meissner und Söhne war Döring am Donnerstagabend zu Gast in Carsten Wists Literaturladen in der Brandenburger Straße. Mitten in der vorösterlichen Fastenzeit hatte der Literaturhändler zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung das Thema „Fisch Fleisch“ auf die Tagesordnung geholt. Es war die dritte Veranstaltung der Reihe „Vom guten Leben in guter Gesellschaft“.

Es ist ein Thema, das in Potsdam offenbar gut ankommt. Das gemütliche „Oberstübchen“ über Wists Laden war jedenfalls bis auf den letzten Platz besetzt. Auch Christian Meissner und seine Söhne Alexander und Clemens können sich über fehlende Kundschaft nicht mehr beklagen: „Im Augenblick laufen die Geschäfte ausgezeichnet.“ Und das, obwohl er heute ausschließlich das teure Neuland-Fleisch aus artgerechter und umweltschonender Haltung verkauft.

Ende der 1990er Jahre sah es dagegen gar nicht gut aus für den Familienbetrieb, der von Christian Meissners Urgroßvater 1893 begründet wurde. Ein über zehn Jahre geschlossener Mietvertrag in einer Discounterkette wurde dem Fleischergeschäft zum Klotz am Bein, erzählte Meissner: Im Supermarkt gab es plötzlich das, was Meissner davor verkaufte - nur viel billiger.

Beim Besuch der „Grünen Woche“ in Berlin sei er zum ersten Mal auf das Neuland-Konzept gestoßen: Ein Verbund von etwa 200 verhältnismäßig kleinen Bauernhöfen. Den Unterschied zu konventionellem Fleisch merkt man sofort, ist Meissner überzeugt: „Das Fleisch ist weniger wässrig, schmeckt anders.“ Anders als die Neuland-Regeln lasse selbst die Bio-Verordnung der EU Massentierhaltung zu, erklärt der Babelsberger mit demselben Enthusiasmus, den Sven Döring für seine Fische aufbringt.

Am Ende des von Holger Backhaus-Maul unterhaltsam moderierten Abends im Literaturladen standen dann nicht mehr Worte, sondern Fisch und Fleisch: Zackenbarsch mit Zimt und andere Kostproben von Sven Döring und den Meissners, die auch den letzten Skeptiker überzeugten. Jana Haase

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