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Homepage: Zahl toter Jungvögel nicht gestiegen
Uni-Studie zeigt keine Auswirkung von Dipel ES
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Die schlimmsten Befürchtungen haben sich nicht erfüllt. Zumindest im Park Sanssouci hat das Insektizid Dipel Es nicht zu einem größeren Jungvogelsterben geführt. Die Kontrolle der dortigen 58 Nistkästen durch die Arbeitsgruppe um den emeritierten Professor für Ornithologie und Verhaltensbiologie der Universität Potsdam, Dieter Wallschläger, brachte keine belastbaren Ergebnisse. Von insgesamt 46 Bruten waren 29 erfolgreich. Auffällig sei aber der hohe Anteil toter Jungvögel bei den Kohlmeisen gewesen. Allerdings sei unklar, woran sie gestorben sind.
Im Mai wurde das umstrittene Insektizid Dipel ES auf 12 000 Hektar Fläche in ganz Brandenburg und in Potsdam gegen den Eichenprozessionsspinner ausgebracht. Biologen befürchteten, dass durch die Tötung der Schmetterlingsraupen vielen Singvögeln die Nahrungsgrundlage entzogen werden würde. Die aktuelle Untersuchung zeige zwar, dass es nicht zu den erwarteten Brutausfällen bei den im Park Sanssouci untersuchten Vögeln kam. Doch fehle bei dieser kurzfristig in Eigeninitiative angesetzten Untersuchung der notwendige wissenschaftliche Anspruch. Demnach gebe es im Schlosspark, so der Ornithologe, viele Arten frei brütender Vögel, die nicht in diese Untersuchungen einbezogen werden konnten. Schon dadurch seien die Untersuchungsergebnisse statistisch nicht verwertbar. Zudem seien die verendeten Tiere nicht veterinärpathologisch untersucht worden, um herauszufinden, woran sie gestorben sind. So sei es schwierig, einen Zusammenhang zwischen Jungvogelsterben und der Bekämpfungsmaßnahme herzustellen. Auch kalte Temperaturen zur Brutzeit können zu Nahrungsmangel führen.
Das Hauptproblem bei der Sprühaktion vom Mai sieht Wallschläger im Unwissen über die unspezifische Wirkung auf andere Insekten, andere Organismen und die Umwelt. In ganz Europa gebe es keine einschlägigen Untersuchungen dazu. Das sieht auch Werner Kratz, Ökotoxikologe an der Freien Universität Berlin und Vorstandsmitglied beim Naturschutzbund Brandenburg (Nabu) so. Um die Wirksamkeit eines Insektizids auch auf andere Organismen und die Umwelt zu untersuchen, seien komplexe Untersuchungen nötig. Stattdessen berufe sich das Landwirtschaftsministerium auf Standardreferenztests an sehr einfachen Organismen, wie z.B. dem Springschwanz. Abgesehen davon, dass dabei keine einzige Art aus dem Waldökosystem stamme, handele es sich bei diesen Tests nur um akute Wirkungen. Langzeitfolgen würden genauso wenig berücksichtigt, wie die Wirkung auf Lebensgemeinschaften. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) warnt davor, dass Dipel ES neben dem Schädling auch alle anderen Schmetterlingsraupen, die sich von Laub ernähren, tötet. Ausgenommen seien nur die Raupen der Nachtfalter, so Tomas Brückmann vom BUND.
Grundsätzlich sieht das Bundesnaturschutzgesetz vor, dass bei Eingriffen in die Umwelt Wirkungsprognosen, Bestandserfassungen und Begleituntersuchungen über die Folgen gemacht werden. Da Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen einen Eingriff in den Naturhaushalt darstellen, sei hier dringend eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation nötig, so Wallschläger. Doch habe es weder vom Land noch von der Stadt Aufträge gegeben, den Eingriff wissenschaftlich zu begleiten. Lediglich habe sich infolge der Sprühaktionen eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Schlösserstiftung, des Grünflächenamtes, des Landwirtschaftsministeriums und der Potsdamer Amtsärztin gebildet.
Weiterführende oder begleitende Forschung sei bislang nicht vorgesehen, so Wallschläger. Die müsse längerfristig geplant, finanziell abgesichert, institutionell angebunden und Interessen unabhängig durchgeführt werden. Um das zu erreichen, sei ein größerer öffentlicher Druck nötig. Auch der Nabu fordert diese Untersuchungen. Unter der chemischen Bekämpfung angeblicher Schädlinge würden auch Nützlinge leiden, so der Nabu. Untersuchungen dazu seien deshalb eine Frage der Vorsorge. Da sich der Eichenprozessionsspinner nach Einschätzung des Ministeriums weiter ausbreitet, wird seine Bekämpfung voraussichtlich auch 2014 fortgesetzt. Anja Laabs
Anja Laabs
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