Landeshauptstadt: Zauberei der Emotionen
Vom Tegernsee zum Tiefen See: Gerhard Verhoeven ist mit seiner TV-Produktionsfirma und einem Koffer voll Ideen nach Potsdam gezogen
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Vom Tegernsee zum Tiefen See: Gerhard Verhoeven ist mit seiner TV-Produktionsfirma und einem Koffer voll Ideen nach Potsdam gezogen Von Sabine Schicketanz Wenn Gerhard Verhoeven seinen Kopffernseher einschaltet, dauert es nur Sekunden und er ist voll auf Sendung. „Varieté Award“ heißt das Programm des Abends, Artisten schweben scheinbar schwerelos durch die Luft, jonglieren mit Gegenständen, die ein Normalsterblicher niemals nur hochwerfen würde, Magier zaubern mit ihren Tricks den Zuschauern das Staunen ins Gesicht, Clowns treten auf mit einer Tragik, die komischer nicht sein könnte. Noch ist der „Varieté Award“ in keiner TV-Programmzeitschrift zu finden, doch wenn es nach Verhoeven geht, soll es im kommenden Jahr soweit sein. Dann soll die Fernsehshow, die der 55-jährige Wahl-Potsdamer sich ausgedacht hat, erstmals aufgezeichnet werden und über die Bildschirme flimmern. Rippe in der Nase Verhoeven ist im vergangenen Juni in Brandenburgs Landeshauptstadt gezogen. Vor zwei Jahren hatte er gemeinsam mit seinem Vater Gerhard senior und seinem Sohn Oliver die Verhoeven-TV Film- und Fernsehproduktion GmbH gegründet, damals noch ansässig am Tegernsee. Jetzt heißt die Adresse Tiefer See, und Verhoeven ist froh darüber: „Wir sind beeindruckt gewesen von den Möglichkeiten, die Potsdam bietet in der Fernsehproduktion.“ München und Hamburg hätten an Attraktivität verloren, Potsdam dagegen habe gewonnen. „Die Zukunft ist die Tradition von Babelsberg.“ Für Verhoeven ist Babelsberg aber auch eigene Vergangenheit. Sein Vater habe früher als Regieassistent in den Defa-Studios gearbeitet. „Ein wenig treten wir also auch in die Fußstapfen meines Vaters.“ Schließlich ist Gerhard Verhoeven kein gelernter Fernsehmann, noch vor kurzem war er Marketingdirektor beim Fürstenhaus Hohenzollern-Sigmaringen, in seiner Jugend war er 1973 Deutscher Karatemeister. Was man ihm, wenn man genau hinschaut, ansieht. Obwohl man Verhoeven wohl eher für einen Boxer halten würde – sein Nasenbein war mehrmals gebrochen. „Jetzt habe ich ein Stück Rippe in der Nase“, sagt er und lacht über das überraschte Gesicht, das seine Gesprächspartner wohl immer machen, wenn er die Rippe erwähnt. Aber halb so schlimm, Verhoeven ist scheinbar hart im Nehmen. Warum er plötzlich Fernsehproduzent ist? „Es gibt nichts Langweiligeres, als ein Leben lang das zu machen, was man eigentlich macht.“ Deshalb musste für Verhoeven immer wieder Veränderung her. Jetzt allerdings, mit der TV-Produktionsfirma, fühlt sich der 55-Jährige erfüllt. „Ich glaube, dass ich jetzt zu Hause bin, in der kreativen Welt des Films.“ Dass Ideenreichtum nicht immer reicht, scheint Verhoeven jedoch nicht entgangen zu sein. Für sein Varieté-Programm, das in den kommenden Tagen bei einem Fernsehsender vorgestellt werden soll, hat er Zahlen aufgeführt, die sein Vorhaben untermauern – und sich renommierte Partner gesucht. Verliehen werden soll der „Varieté Award“ vom Verband Deutscher Varieté Theater (VDVT), zu dem Häuser wie der Berliner Wintergarten, Roncalli“s Apollo Varieté in Düsseldorf, das Friedrichsbau Varieté in Stuttgart und die Starclubs in Kassel und Fulda gehören. Die Preisträger allerdings möchte Verhoeven seine Jury nicht nur bundesweit, sondern weltweit suchen lassen. Paris, Moskau oder Peking sind, weiß Verhoeven, die Zentren der Artistenkunst. Für den Zuschauer will er das Fernsehen hinter die Kulissen der Shows blicken lassen, Künstler vorstellen und mit Prominenz, die den Award schließlich übergibt, die Neugierigen locken. Wer zweifelt, ob gerade jetzt, da der Medienbranche die große Krise nachgesagt wird, eine neue Fernsehgala tatsächlich realisiert werden kann, dem nimmt Verhoeven mit Begeisterung den Wind aus den Segeln. Varieté, das sei ein Wachstumsmarkt, in den vergangenen Jahren sei die Zahl der Plätze in den Varietétheatern auf 6000 angewachsen, 5500 Aufführungen gebe es jährlich bundesweit, besucht von 1,4 Millionen Zuschauern. Warum also sollte es dafür kein Fernsehpublikum geben? Gerhard Verhoeven wirbt nicht nur mit Überzeugung, er wirbt auch mit Gefühl. „Emotional eintauchen“ ist seine Devise, „wir machen gerne emotionale Dinge“, sagt er. Auch seine Produktionsfirma scheint auf Emotionen gebaut. Familienbande dreier Generationen sind es, die Vater, Sohn und Enkel zusammenhalten – und eine „glatte Aufgabentrennung“. Sein Vater habe Erfahrung im Filmbusiness, auch aus Babelsberg, und schon vor Jahren habe er große Modenschauen organisiert. Ihm selbst bleibe im Dreiergespann neben dem Kreativen das strategische Denken, die Vermarktung der Ideen. Und sein Sohn, studierter Betriebswirt, sorge dafür, dass wirtschaftlich alles glatt laufe. Den vierten Part übernimmt der Familienname. Mit den berühmten Verhoevens – Regisseur Michael Verhoeven, verheiratet mit Schauspielerin Senta Berger und Hollywood-Regisseur Paul Verhoeven, der einst mit Sharon Stone „Basic Instinct“ gedreht hat – sei man zwar nicht verwandt, sagt Gerhard Verhoeven. Aber: „Der Name hat Fernsehkompetenz.“ Die könnte demnächst vervielfacht werden. Wenn der „Varieté Award“ nicht mehr nur im Verhoeven-Kopffernseher, sondern auf einem echten TV-Kanal gesendet wird.
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