Landeshauptstadt: Zauberland mit Hüpfer und Winkekönigin
Bei „Captain Card“ in der Gutenbergstraße gibt es Geschenke und Dekoration, Spielzeug – und eine einzigartige Kartenauswahl
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Lieber nicht ausprobieren, sagt Heike Bauroth angesichts der Kakerlake aus buntem Blech. „Da kann man sich wirklich erschrecken.“ Ein paar Zentimeter lang ist der filigrane Tierkörper, auf vier Beine aus dünnem Draht gesetzt. Bei Berührungen löst sich die Spannung der Beine und das Tier springt überraschend in die Höhe.
Im Laden von Matthias und Heike Bauroth ist der blecherne Hüpfer nicht das einzige Spielzeug, das man in die Hand nehmen möchte. „Captain Card“ in der Gutenbergstraße bietet auf kleinstem Raum eine hochwertige Papeterieauswahl, Dekorationen für Kinderzimmer und feierliche Anlässe, Bastelwaren, Geschirr und Puppenmutterbedarf, Ritterburgen, Spardosen und die Klassiker der Kinderbücher. Insgesamt vorwiegend Marken, die man eben nicht im Discounter findet. Und alles ist bunt und bunter, ein Zauberland für Kinder und Erwachsene, ein Laden, der dem Eintretenden unweigerlich ein „Wow!“ entlockt.
So soll es sein, so Heike Bauroth. „Ich bin selbst so, gediegen kann ich nicht“, sagt sie und zeigt auf ihren bunten Rock. Als ihre Kinder noch klein waren, war sie eine regelrechte Bastelmama, verbrachte die Sonntage im Schlafanzug, mit Schere und Papier. Nach einem Kulturwissenschaftsstudium orientierte sie sich gemeinsam mit ihren Mann Matthias neu, eröffnete den Laden. Zunächst als Internethandel, sie lieferten all das handverlesene Schöne, eingekauft in aller Welt, nach ganz Deutschland. Aber irgendwann, so Heike Bauroth, wollte sie das alles auch ansprechend präsentieren. Zehn Jahre ist es nun her, dass sie in der Gutenbergstraße begannen. Obwohl sie, die Rostockerin, zunächst von der hohen Gewerbemiete überrascht war und damals auch noch die Baustelle der Karstadtrückseite vor der Haustür störte. Ein Stückchen Heimat hat sie in den Namen des Ladens gesteckt. „Captain Card“, das sei eine Hommage an die Küste.
Gerade wurde Ware angeliefert, die Pakete stehen zwischen den Regalen und Auslagen. Wenn sie nicht schnell genug ist mit dem Auspacken und Wegräumen, sagt sie, schauen manche neugierigen Kunden sofort in die Kisten. Immer wieder bestellt sie neue Dinge, hat neue Ideen. Es soll hier nicht langweilig werden, das ist ihr Anspruch.
Ihr Hauptaugenmerk gilt dabei – wie der Name „Captain Card“ nahelegt – dem Kartenangebot. Witzig, frech, romantisch, verspielt, schlicht oder mit Glitzer sind die vielen kleinen Kunstwerke, Karten für diverse Anlässe oder einfach mal zwischendurch. In Zusammenarbeit mit einer Künstlerin entstand kürzlich sogar eine eigene Kartenkollektion, die in der Potsdamer Druckerei Rüss hergestellt wird. Von weiter her, aus Großbritannien, beziehen sie Madicott-Karten, traditionell englisches Design, verspielte Malerei. Aus San Francisco kommen Palm Press Karten, humorige, einzigartige Fotomotive. Heike Bauroth ist selbst immer wieder aufgeregt, wenn sie aus Übersee neue Entwürfe geschickt bekommt.
Sie sei eher die Kreative, ihr Mann organisiere alles und behalte den Überblick. Sie passen gut zusammen. Heike Bauroth ist froh, dass sie damals nicht gewusst hat, was auf sie zukommt. Vielleicht hätten sie sich dann nicht getraut, das Geschäft zu eröffnen – dabei fühlt sich jetzt alles richtig an.
Natürlich sei es viel Arbeit, wenn man selbstständig ist. Es gibt keinen Feierabend. Warum, fragt sie sich, soll sie am Samstag pünktlich schließen, wenn der Laden noch mit Touristen voll ist? Bis spät nachts ist sie manchmal dort, packt aus, sortiert, räumt ein. „Ein Kind aus der Nachbarschaft hat mich schon mal gefragt, ob ich hier wohne“, sagt sie und lacht. Eine Woche Urlaub gönnen sie sich im Sommer und fahren dann weit weg, damit aus einem gemütlichen Frühstück nicht doch eine Dienstbesprechung wird.
Aber nun ist September, das Saisonkarussel holt Schwung. Es gibt Kunden, die fragen noch nach Schultüten, andere suchen herbstliche Girlanden, außergewöhnliche Kalender, kaufen bereits Christbaumschmuck. Bunte Glasornamente hängen von der Decke, Kugeln, Ballerinas, Fische und Motorräder, nostalgische, zuckrige Deko für jede Art von Weihnachtsbaum.
Jetzt im Herbst ist auch Bastelzeit, die Kunden decken sich ein mit Material und Zubehör für lange Nachmittage. Die Stempel sind derzeit der Renner. Heike Bauroth erklärt gern begeistert, was man damit machen kann. Dutzende Stempelsets mit unterschiedlichen Motiven hat sie vorrätig, und wer will, kann mit einem Stempelset in Linolschnitttechnik eigene Motive herstellen. Man kann damit Einladungskarten und Tischdeko herstellen, Plakate gestalten. Oder gar Textilien bedrucken, die Stempel dafür sind etwas tiefer ausgeschnitten. Neulich habe ihr Mann einer Kundin erklärt, wie man damit sogar Unterwäsche bedrucken kann, er habe das selbst probiert. Heike Bauroth lacht darüber und winkt durchs Fenster einer Stammkundin mit ihrem Kind. Es gebe Frauen, die manchmal bewusst ohne Portemonnaie hereinkommen, sicherheitshalber, um nicht schon wieder etwas zu kaufen. Der Mann müsse dann mit dem Geld draußen bleiben, sagt sie und kichert, aber das funktioniere eh nicht. Vielleicht deshalb, weil es bei „Captain Card“ auch jede Menge Interessantes für große Kinder gibt. Immer wieder bleiben Männer vor der Kiste mit nostalgischem Blechspielzeug stehen, ziehen Autos und Tiere auf, bis sie klackernd loslaufen – wie das rosa Schweinchen, das sich Heike Bauroth greift, um vorzuführen, wie das funktioniert. „Ach, so etwas hatte ich auch als Kind“, höre sie dann bisweilen von Kunden.
Auch die Solarqueen bewegt sich. Die englische Königin hat ein Solarpanel auf ihrer Handtasche, welches das royale Winkehändchen daueraktiviert. Solche witzigen Kleinigkeiten sorgen dafür, dass man aus dem Laden so schnell nicht wieder herausfindet. Hier ist Anfassen erlaubt, und gerne zieht die Chefin selbst eine altertümliche Spieluhr auf, lässt die Fee tanzen. Und damit solche Geschenke auch würdig verpackt werden können, gibt es dort Einwickelpapier, einzelne Bögen, ein Design schöner als das andere – und zum Einwickeln eigentlich viel zu schade.
Gutenbergstr. 97, Tel.: (0331) 58 59 944
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