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Gefährliches Insekt. Zecken gehören zur Gattung der Milben – insgesamt gibt es weltweit mehr als 900 Millionen Arten. Die blutsaugenden Parasiten übertragen viele Krankheiten, darunter Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis.

©  Patrick Pleul/dpa

Potsdam: Zecken erobern die Stadt

Der Parasitologe Franz-Rainer Matuschka von der Universität Potsdam mahnt zu mehr Vorsicht im Umgang mit Hunden und Katzen. Die Infektionsgefahr ist in Brandenburg besonders groß

Von Matthias Matern

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Sie leben nicht nur in freier Natur, sondern zunehmend auch in Parks, Hinterhöfen, Spielplätzen und Gärten: die Zecken. Nach Ansicht des Parasitologen Franz- Rainer Matuschka von der Hochschulambulanz der Universität Potsdam und seiner Kollegin Dania Richter von der Technischen Universität Braunschweig breiten sich die Insekten auch in Städten immer weiter aus. Grund sei, so die Wissenschaftler, dass auch die Wirtstiere wie Mäuse oder Ratten in Städten immer mehr geeignete Lebensräume finden. „Unsere Stadtgärten werden anders gepflegt als früher, sind naturnaher, und das birgt bei aller Schönheit erhöhte Risiken“, erklärte Matuschka.

In Potsdam aber hat das Gesundheitsamt nach eigenen Angaben derzeit keine Anzeichen für eine Zunahme von Zecken oder von entsprechenden Bissen und Erkrankungen. „Da Potsdam eine sehr grüne Stadt mit vielen Grün-, Wald- und Parkflächen ist, gehen wir gundsätzlich davon aus, dass Zecken in Potsdam ohnehin häufiger vorkommen als in dichter besiedelten Städten wie Berlin“, sagt Stadtsprecher Jan Brunzlow.

Gefürchtet sind Zecken vor allem wegen der sogenannten Lyme-Borreliose oder der Hirnerkrankung FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis). Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Berlin sind besonders in den ostdeutschen Bundesländern die Meldedaten in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts deutlich gestiegen. Bei einer FSME kann es neben den Symptomen einer Hirnhautentzündung auch zu Bewusstseins-, Sprach- und Schluckstörungen, zu psychischen Veränderungen oder bestimmten Lähmungen am Körper kommen. Breitet sich der Borreliose-Erreger im Körper aus, leiden Patienten häufig an Fieber und Kopfschmerzen. Typisch sind auch starke Schweißausbrüche.

Eine der Ursachen für die gestiegenden Meldedaten könnte den Experten zufolge auch in einem geänderten Freizeitverhalten liegen. Dazu gehörten etwa sportliche Aktivitäten in der Natur wie Joggen oder Nordic Walking. Belastbare Untersuchungen zum Zeckenbefall von Städten gibt es laut Professor Matthias Freude, Präsident des brandenburgischen Landesumweltamtes, bislang aber nicht. „Auf jeden Fall gibt es bereits seit Jahrzehnten auch in den Städten Zecken. Und auch in extrem gepflegten Gärten mit kurzem Rasen und ständiger Beregnung können sich Zecken aufhalten. Es liegt also bestimmt nicht an einer naturnäheren Gartenkultur.“ Verändert haben sich Freude zufolge aber die klimatischen Rahmenbedingungen. Im Vergleich zu früher sei es heute in Städten im Schnitt zwei bis drei Grad wärmer als im Umland. „Das ist ein Paradies für Zecken. Die lieben höhere Temperaturen. Sinkt das Thermometer nicht unter 7 Grad Celsius, bleiben sie durchgehend aktiv“, so der Landesumweltamtspräsident. Vor allem der letzte Winter sei deshalb „für Zecken ein Superwinter gewesen, weil er keiner war“. „In diesem Jahr hatten wir im Januar und im Februar bereits die ersten Borreliosefälle. „Das waren mehr als doppelt so viele wie üblich“, so Freude. In Potsdam wurden laut RKI in diesem Jahr bislang acht Fälle gemeldet.

Einig sind sich Matuschka und der Präsident des Landesumweltamtes, dass Katzen und Hunde als Wirtstiere bislang unterschätzt werden. „Es gibt in Deutschland mindestens zehn Millionen Hauskatzen, dazu kommen zwei bis drei Millionen streunende Katzen“, schätzt der Potsdamer Parasitologe. Die bei Zecken beliebten Vierbeiner hätten besonders engen Kontakt zu den Menschen und schliefen oft sogar bei diesen im Bett. „Besonders gefährlich ist, dass von den Katzen abgeputzte Zecken dann sofort den Menschen mit Borrelien infizieren können, während das normalerweise ein bis zwei Tage dauert. So bleibt anders als nach einem Spaziergang kaum Zeit, die Parasiten rechtzeitig zu entfernen.“ Wichtig sei ein konsequentes Müllmanagement, fordern Matuschka und Richter: „Wenn der Tisch in Parks für Nagetiere wie Mäuse und Ratten, aber auch für Vögel, etwa Amseln, reich gedeckt ist, dann steigt auch das Zeckenrisiko für den Menschen“, erklärte Matuschka. „Grund zur Panik oder gar Hysterie besteht aber nicht“, betonte seine Kollegin Dania Richter in Braunschweig. „Wir wollen die Leute nicht aus dem Garten fernhalten, das sollte nicht das Ziel sein.“ Man könne sich schließlich vor einem Zeckenbefall schützen, sagte Matuschka. Wichtig seien eine angemessene Kleidung und die zeitnahe Untersuchung des Körpers nach einem Aufenthalt im Freien. „In der Regel reicht das Abtasten sensibler Körperstellen am Abend völlig aus“, findet auch Freude. „Also die Kniekehlen, unter den Armen und zwischen den Beinen“, zählt er auf.

Rund 20 verschiedene Zeckenarten gibt es in Brandenburg. Die Gefahr, an Borreliose zu erkranken, ist hier allerdings unweit größer als anderswo in Deutschland, da in Brandenburg besonders viele Zecken den Erreger tragen, der zur Borreliose führt. Im Landkreis Märkisch-Oderland liegt der sogenannte Durchseuchungsgrad der Zecken bei bis zu 45 Prozent. Die durchschnittliche Durchseuchungsrate in Deutschland liegt dagegen bei 20 Prozent.

Zumindest wegen einer Frühsommer-Meningoenzephalitis muss man sich laut Freude in Brandenburg noch nicht allzu viel Sorgen machen. „Die ist hier noch nicht heimisch, breitet sich aber von Bayern, Thüringen, Hessen und Baden-Württemberg zunehmend in unsere Richtung aus“, sagt der Präsident des Landesumweltamtes. „Aber anders als gegen die Borreliose gibt es gegen FSME einen wirksamen Impfschutz.“ (mit dpa)

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