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Von Jana Haase: Zentimeterarbeit

Für „The International“ baute Dierk Grahlow das Guggenheim-Museum nach – obwohl er das Original nie gesehen hat

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Am Ende war es eine Frage von Zentimetern: 16 Meter im Durchmesser maß die Rampe – eine Stahlkonstruktion verkleidet mit Holz und Gips, die sich schneckenförmig bis in 21 Meter Höhe schraubte. Dort blieben keine zwei Finger Platz bis zur Decke, erinnert sich Dierk Grahlow, Bauleiter beim Art Department des Studio Babelsberg: „Es passte auf zwei Zentimeter genau.“ Der marode ehemalige Lok-Zirkus in der Wetzlarer Straße erwies sich als perfekt für die Kopie des Guggenheim-Museums in New York, die Grahlow im Sommer 2007 für den Banken-Thriller „The International“ von Regisseur Tom Tykwer („Das Parfum“) nachbaute. Am kommenden Donnerstag ist das Ergebnis erstmals auf großer Leinwand zu bewundern: Dann eröffnet der vom Studio Babelsberg koproduzierte Film mit Clive Owen („Hautnah“) und Naomi Watts („21 Gramm“) die 59. Berlinale.

Darin liefert die weltberühmte Rotunde, die der Architekt Frank Lloyd Wright 1943 entwarf, unter anderem die spektakuläre Kulisse für eine Schießerei. „Es war unser bisher schwierigster Bau“, sagt Michael Düwel, Leiter des Art Departments. Und Dierk Grahlow schüttelt heute noch mit dem Kopf, wenn er an die Tage im Sommer 2007 denkt. 60 Leute hatte er damals im Zweischichtsystem in Arbeit, um den Fertigstellungstermin einzuhalten.

Für die Schießerei-Szenen musste die Kulisse dann immer wieder neu präpariert werden: Vor der Brüstung der Rotunde installierte Grahlow sechs Zentimeter dicke Vorsatzschalen, hinter denen die Babelsberger Tricktechniker von Nefzer die Munition deponierten: „Am Tag wurde gedreht, nachts haben wir gearbeitet“, erinnert sich Grahlow.

Auch die Ausstellung, die das Film-Guggenheim zeigt, dachten sich die Art-Department-Leute selbst aus. Denn mit Kopien der im Original-Museum ausgestellten Kunstwerke hätte es urheberrechtliche Probleme geben können, erklärt Michael Düwel. In „The International“ zeigt das Guggenheim stattdessen nun eine Video-Kunst-Ausstellung.

Dass die Kulisse in dem Lok-Zirkus vor den Toren der Studios entstehen sollte, war lange Zeit unklar: „Wir haben ganz Berlin und Brandenburg abgesucht“, erinnert sich Michael Düwel. Die Marlene-Dietrich-Halle auf dem Studiogelände war zu klein, die Deutschlandhalle in Berlin-Wilmersdorf passte auch nicht, eine alte Bierbrauerhalle in Neukölln hätte zwar gereicht, war aber gerade belegt. Da fiel der Blick auf das Naheliegende: „Der Lok-Zirkus war dann die beste Möglichkeit“, sagt Düwel.

Zehn Wochen dauerten die Bauarbeiten in Babelsberg – am Original in New York wurden mehrere Jahre gebaut. Die Amerikaner im Filmteam seien vom Ergebnis jedenfalls begeistert gewesen, erinnert sich Düwel: „Wenn wir hier drin stehen, sehen wir den Unterschied nicht“, hätten sie befunden: „Das ist das für uns beste Kompliment.“

Dierk Grahlow dagegen hat das originale Guggenheim-Museum noch nie gesehen. Der gebürtige Schweriner kennt den Architektur-Klassiker nur von Fotos und den alten Skizzen, die er zur Vorbereitung studiert hat. Die freischwebende Konstruktion, gehalten von 80 Tonnen schweren Gegengewichten, entwickelte er in zwei Wochen „allein in meinem Kopf“, wie er es ausdrückt.

Wie genau das passiert, ist wohl auch für den 50-Jährigen selbst ein Geheimnis – aber es klappt immer wieder, das zeigt der Blick in seine Filmografie: Für den Film „Sonnenallee“ hat der gelernte Tischler die Außenkulisse „Berliner Straße“ mitbegründet, die bis heute steht, er war Projektleiter bei „V wie Vendetta“, beim Oscar-Preisträger „Die Fälscher“, beim „Bourne Ultimatum“, bei „Speed Racer“ und aktuell bei Tarantinos neuem Film „Inglourious Basterds“.

Das Guggenheim in Potsdam bekam seinerzeit nicht nur Besuch von Oberbürgermeister Jann Jakobs – es gab auch Anfragen für die Nachnutzung, zum Beispiel für Modenschauen, erinnert sich Michael Düwel. Aber das Studio sagte ab: Die Sicherheit auf der Konstruktion hätte niemand gewährleisten können. So ist es eben mit der „Traumfabrik“: Was auf der Leinwand perfekt aussieht, muss nicht unbedingt alltagstauglich sein.

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