Landeshauptstadt: Zeugnis für nachkommende Generationen
Schüler der Joseph-Peter-Lenné-Schule filmten den Auschwitz-Überlebenden Willi Frohwein
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Babelsberg – Als Lagerarzt Horst Fischer ihn zur Vergasung auswählt, empfindet Willi Frohwein nur noch Erleichterung. Denn plötzlich gibt es eine Hoffnung für ihn, den Gefangenen in Auschwitz, der wochenlang zentnerschwere Zementsäcke geschleppt hat, bis er nur noch ein Gespenst seiner selbst war, ein „Muselmann“, wie es im Lagerjargon hieß, der dann abgehungert, fiebernd und dem Zusammenbruch nahe auf der so genannten „Schonstation“ zugebracht hat, bei noch kärger bemessenen Essensrationen. Für diesen Zwanzigjährigen, der seinen Namen längst verloren und in eine Nummer umgetauscht hatte, bedeutete der bevorstehende Gastod nichts anderes als die Hoffnung auf ein Ende des schon viel zu lange andauernden Unzustandes: „Am Abend ist alles vorbei.“
Willi Frohweins Stimme stockt, wenn er das erzählt – heute, mehr als 60 Jahre danach. Nur aus Zufall entkam er damals seinem Schicksal: Der „Halbjude“ Frohwein galt plötzlich doch als „Deutscher“.
20 Jahre lang hat der gebürtige Berliner nach dem Krieg geschwiegen, vergessen, verdrängt. Erst durch eine Zeitungsnotiz über den gefassten Lagerarzt seien ihm die Auschwitz-Erlebnisse wieder zu Bewusstsein gekommen – Frohwein meldete sich als Belastungszeuge im Prozess.
Seitdem erzählt er seine Geschichte immer und immer wieder – vor allem für Schulklassen. Frohweins Name ist deshalb heute weit über Berlin und Potsdam hinaus bekannt. In Lengede wurde 2008 vor wenigen Jahren sogar eine Schule nach ihm benannt.
Schüler der Peter-Joseph-Lenné-Gesamtschule haben Frohweins Erzählung jetzt aufgezeichnet. Im Film „Kontraste“ kommt neben dem heute 86-Jährigen Frohwein mit Adam König auch ein zweiter Auschwitz-Überlebender zu Wort. Bei einem Besuch in Auschwitz und dem nahe gelegenen Krakau haben die Schüler der beiden Geschichtsgrundkurse des 13. Jahrgangs gemeinsam mit dem Medienpädagogen Ulle Sende auch Menschen auf der Straße befragt. Finanziert wurde das Projekt mit Geldern der Potsdamer Stadtwerke und einer Privatspende des Potsdamer TV-Journalisten Günther Jauch.
Das Ergebnis ist ein 70-minütiger Film, der am Donnerstagabend im Babelsberger Thalia-Kino gezeigt wurde – im Beisein Frohweins. „Der Film ist mir sehr nahe gegangen“, sagte der Überlebende nach der Aufführung: „Es ist ein Film, der auch für nachkommende Generationen aussagekräftig ist.“
Für die Lenné-Schule ist das Projekt damit noch nicht abgeschlossen: Geplant seien drei weitere Filme mit Zeitzeugen anderer Konzentrationslager, erklärte Schulleiter Ingo Müller. Jana Haase
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