Mein WENDEHerbst: Zu früh eingezogen
JAHREMAUERFALLDer Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9.
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JAHRE
MAUERFALL
Der Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9. November fällt die Mauer. An dieser Stelle erinnern sich in den Potsdamer Neuesten Nachrichten täglich Menschen in Potsdam an ihre Erlebnisse in dieser Zeit. Heute: Dirk Harder. Der 41-Jährige arbeitet als Geschäftsführer des Potsdamer Stadtjugendrings.
Am 9. November 1989 dachte Dirk Harder, dass er den „größten Fehler“ seines Lebens gemacht hat. Denn während draußen die Menschen den Fall der Mauer feierten, lag er in einer Krankenstation der Volksarmee und hatte nach einer Operation, mit der sein linker Fuß „stiefeltauglich“ gemacht werden sollte, einen Gips am Bein. Nicht nur deswegen haderte der damals 21-Jährige mit seinem Schicksal. Als junger Mann, der erst neun Tage zuvor den Dienst in der DDR-Armee begonnen hatte, um danach zu studieren, nagte in ihm die Sorge, dass er erst nach der Armee den „Westen“ besuchen kann. Anderthalb Jahre hätte das Soldatensein noch gedauert. „Die Informationen, ob wir in den Westen reisen dürfen oder nicht, haben sich jeden Tag verändert“, erinnert sich Harder. Generell erlebte er den Herbst 1989 als emotional belastend, weil fünf, sechs seiner „engen“ Freunde bereits im Sommer die DDR gen Bundesrepublik verlassen hatten, über Ungarn. „Ich dachte ja, die siehst du nie wieder.“ Bis Harder zur Armee musste, besuchte er auch deswegen zwei Demonstrationen in Leipzig. „Ich lief immer am Rand, weil ich Schiss hatte.“ Dann, in der Armee, war er selbst von den Protesten abgeschnitten.
Mit Schaudern erinnert sich Dirk Harder noch heute daran, wie er wegen des Wehrdienstes seine „lange Lockenpracht“ abschneiden lassen musste. An seinem ersten Tag im Heer stand er schließlich in einer langen Schlange von Zivilisten und sah, wie sich einer nach dem anderen umziehen musste und zum Soldat in Uniform wurde. Er schließlich auch. „Ich dachte, jetzt ist es vorbei.“ So fühlte sich Dirk Harder trotzdem „etwas niedergeschlagen“, als seine damalige Freundin nach dem Mauerfall für ihn Geschenke aus Westberlin mitbrachte. „Ich hätte damals nie geglaubt, dass die DDR-Strukturen so schnell verschwinden.“ Doch konnte er bereits im Dezember seinen Geburtstag in Spandau feiern. Und schon am 26. Januar war sein Regiment in Neuseddin aufgelöst – der Weg in sein zukünftiges Leben war frei.HK
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