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Sport: Zu mutig für Löw?

Marc-André ter Stegen wechselt nach Barcelona, fährt aber wohl nicht zur WM

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Berlin - Nach allem, was man weiß, ist Marc-André ter Stegen in den letzten Tagen nicht beim Arzt gewesen, um sich eine Spritze in den Oberarm setzen zu lassen. Eine Empfehlung, sich gegen Gelbfieber impfen zu lassen, hat der Torhüter von Borussia Mönchengladbach nicht erhalten. Im Unterschied zu den anderen Nationalspielern, die für das WM-Aufgebot von Bundestrainer Joachim Löw in Frage kommen. Daraus zu schließen, dass ter Stegen in einem Monat nicht nach Brasilien reisen wird, ist vermutlich nicht verkehrt. Nach allem, was man weiß, spielt ter Stegen in Löws Planungen keine Rolle.

Morgen wird der Bundestrainer sein vorläufiges WM-Aufgebot benennen, das er bis zum 2. Juni auf die Sollstärke von 23 Spielern reduzieren muss. Mit Manuel Neuer, Roman Weidenfeller, René Adler und Ron-Robert Zieler hat Löw auf der Torhüterposition längst eine Vorauswahl getroffen. Ter Stegen scheint nicht vorgesehen zu sein. Das ist ein Fehler.

Den durchschnittlich interessierten Sportschau-Zuschauer mag diese Einschätzung verwundern, weil ihm aus der aktuellen Bundesliga-Saison vor allem eine Szene von ter Stegen in Erinnerung geblieben ist: wie ihm in Braunschweig der Rückpass eines Kollegen über den Spann ins Tor rutscht. Die Szene passt ins Bild, das sich das Publikum von dem 22-Jährigen gemacht hat und zu dem auch seine Auftritte in der Nationalmannschaft beigetragen haben.

Drei Länderspiele hat ter Stegen bestritten – dass er dabei einen Elfmeter von Lionel Messi gehalten hat, war die einzig positive Erfahrung für ihn. Alle drei Spiele gingen verloren, im Schnitt hat der Gladbacher vier Treffer kassiert und vor einem Jahr gegen die USA sogar ein Eigentor erzielt, das genauso aussah wie das in Braunschweig. Sogar in ter Stegens Verein wurde damals die Frage gestellt, ob er dem Druck standhalte, den er sich vor allem selbst macht. „Solche Sachen werfen mich nicht aus der Bahn“, hat ter Stegen jetzt dem „Kicker“ gesagt. „Ich habe danach immer stabil gespielt und meine Leistung gebracht.“ Das Eigentor in Braunschweig war in der Tat sein einziger schwerer Fehler in dieser Saison.

René Adler und Ron-Robert Zieler können davon nur träumen, und selbst Roman Weidenfeller, der Liebling des Fußballvolkes, hat am Wochenende einen Schuss aus 30 Metern durch seine Beine flutschen lassen. Trotzdem liegen alle drei in der Gunst des Bundestrainers offensichtlich vor ter Stegen. Im Grunde ist es egal, wer als dritter Torhüter mit zur WM fährt. Aber die Entscheidung sagt einiges über die Haltung des Bundestrainers. Ter Stegen zu nominieren wäre für Löw eine gute, da weitgehend risikofreie Möglichkeit, um zu zeigen, dass er doch mutig sein kann. Offensichtlich aber tendiert er eher zur Sicherheitsvariante. Sonst hätte Löw sich nicht – ohne Not – den 33 Jahre alten Weidenfeller in seinen Kader singen lassen.

Marc-André ter Stegen steht für das offensive Torhüterspiel, das der Bundestrainer sehen will und das auch von Manuel Neuer gepflegt wird. Er postiert sich weit vor dem eigenen Tor, um als eine Art Libero zu fungieren, antizipiert gut und ist fußballerisch seinen Konkurrenten, genau wie Neuer, weit überlegen. Kein anderer Torhüter hat in dieser Saison so viele Ballkontakte gehabt wie ter Stegen. Seine Passquote (73 Prozent) ist besser als die von Weidenfeller (67), Adler (64) und Zieler (63). Nur Neuer (88) übertrifft ihn. Doch ein Torhüter wie Weidenfeller, der stark auf der Linie ist und spektakulär durch die Lüfte fliegt, wird in Deutschland viel eher geschätzt. Ter Stegen ist hingegen auch für ausländische Klubs interessant. Nächste Saison wird er für den FC Barcelona spielen. Pep Guardiola, der Trainer der Bayern, sagt, er könne seinem Ex-Klub zu diesem Transfer nur gratulieren: „Ter Stegen ist einer der besten Torhüter der Welt.“ Stefan Hermanns

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