Homepage: Zugpferd Semesterticket
Urabstimmung zum Semesterticket brachte den Gremienwahlen an der Universität Potsdam regen Zulauf
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Mit eiligen Schritten sprinten die Studierenden von der S-Bahn-Station ins Uni-Gebäude in Griebnitzsee. Der Regen strömt vom grauen Himmel. Dieser Mittwoch ist ein Tag, an dem man schon fast gerne in die Uni flüchtet. An einer Säule hängt ein unscheinbarer Zettel: „stupawahl07.blogsport.de“, darunter ein anderer Flyer: „Fahren ohne Semesterticket kann sehr teuer werden“. Womit der Rahmen der vergangenen drei Tage abgesteckt wäre. An der Uni wurden wie jedes Jahr die Gremien gewählt, darunter auch das Studierendenparlament (Stupa), in dem sich aus verschiedenen Parteien sozusagen eine „Studenten-Regierung“ zusammenfindet: der Allgemeine Studierendenausschuss AStA. In diesem Jahr wurde zudem auch über die Zukunft des Semestertickets abgestimmt.
In der Cafeteria sitzen drei Studentinnen und reden schon um halbelf über das Mittagessen. Sie wollen später noch wählen gehen. Aber nicht wegen des Studentenparlaments, davon haben sie keine Ahnung. „Ich weiß nicht was ein Asta ist, und auch nicht was die einzelnen Parteien wollen“, sagt eine von ihnen fast schon etwas stolz. Sie studiert BWL, die anderen beiden VWL und Jura. Die drei wollen wegen des Semestertickets zur Wahl gehen. Sie hätten gehört, dass es dazu eine Abstimmung geben soll. Und das Ticket, das brauchen sie. Eine von ihnen wohnt in Berlin, ihr wäre es zu teuer jeden Monat eine Fahrkarte zu kaufen, statt der rund 800 Euro im Jahr fallen pro Semesterticket derzeit gerade mal 135 Euro im Halbjahr an – für ganz Brandenburg! Das Studentenparlament werden sie dann gleich mitwählen. „Da fragen wir einfach im Wahlbüro, was die Parteien wollen“, sagt die BWLerin. Ansonsten interessiert die drei eher, ob die Uni nicht eine Raucher-Lounge in der Cafeteria einrichten könne.
An einem anderen Tisch liest eine junge Frau ein Buch. Nein, sie werde nicht wählen gehen. Sie sei gerade von Bamberg an die Uni Potsdam gewechselt. Von der politischen Arbeit der Studierenden hier ist sie enttäuscht. „Es gibt nur Flyer, die hochschulpolitischen Vertreter kommen nicht in die Seminare um zu informieren“, bemängelt sie. Und wichtige Themen wie die Evaluation der Lehre würden kaum eine Rolle spielen. Als sie hört, dass für die Urabstimmung zum Semesterticket eine Mindestwahlbeteiligung von zehn Prozent nötig ist, kommt die Soziologiestudentin ins Grübeln. Vielleicht sollte sie doch zur Wahl gehen, schließlich geht es um eine günstigere Fahrkarte.
Unterdessen haben drei Studenten ihre Laptops auf dem Nachbartisch aufgeklappt. Einer von ihnen studiert den Flyer des RCDS, der CDU-nahen konservativen Studentenpartei. „Alles voller Rechtschreibfehler“, mokiert er sich. Die drei studieren Informatik. Auch sie wollen nur wegen des Semestertickets wählen gehen. Der AStA interessiert sie nicht. „Die Themen sagen mir nichts“, meint einer der drei. Interessanter finden sie da schon die Flyer von Bloomstreet.net, die überall herumliegen: Partygirls in freizügigen Posen, das punktet eher, als Geschlechtergleichstellung oder „Überlegungen zur Hochschule im Neoliberalismus“.
Die Abstimmung zum Semesterticket ist tatsächlich das Zugpferd dieser Wahl. Sowohl in Griebnitzsee als auch am Neuen Palais stellen die Wahlhelfer eine stärkere Wahlbeteiligung fest als im vergangenen Jahr. Allerdings, so klärt eine Wahlhelferin auf, gab es hier schon einige Missverständnisse. Abgestimmt wird nicht direkt über die Weiterführung des Tickets, sondern über neue Konditionen, die der AStA mit dem Verkehrsverbund VBB ausgehandelt hat. Wer der Preissteigerung bis 143 Euro in den kommenden vier Jahren und dem Wegfall der kostenlosen Fahrradmitnahme im Regionalexpress der Linie RE 1 nicht zustimmen will, muss Nein ankreuzen. Was im Zweifelsfall neue Verhandlungen nach sich ziehen würde. Eine Mehrheit für die neuen Konditionen garantiere hingegen laut Stimmzettel die Fortführung des Tickets für die kommenden vier Jahre.
Einzelne Wahlbüros rechneten diesmal sogar mit einer Wahlbeteiligung von zehn bis 15 Prozent. In den vergangenen Jahren pendelte die Beteiligung gerade mal um die sieben Prozent. Am Neuen Palais, wo die Studierenden aus Golm oder Babelsberg die Möglichkeit zur Briefwahl hatten, gab es schon an den ersten beiden Wahltagen volle Wahlurnen. Und, dass von den rund 17 000 Studierende der Uni zehn Prozent für die Urabstimmung zustande kommen, daran hatte kein Wahlhelfer Zweifel. Die Auszählungen dauerten gestern noch bis in die späte Nacht an.
Neben der Abstimmung zum Semesterticket dürfte auch der Ausgang der Stupa-Wahlen interessant werden. Hatte sich doch nach einem spektakulären Bruch der Links-Grünen Koalition in der vergangenen Legislaturperiode eine große Koalition gebildet, in der sich Grüne wie Jusos mit dem konservativen RCDS die Hand gaben.
Zwischen den Tischen im Hof des Audimax schlängelt sich ein AStA-Vertreter hindurch und preist wie ein Marktschreier das Semesterticket an. Am Tisch dahinter ist das kein Thema. Drei jungen Frauen tauschen sich über die Qualität von Männern aus. Evaluation der Lehre ist ihnen egal, sie interessieren sich mehr dafür, ob Iren eher schwierig und mediterrane Männer eher romantisch sind.
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