PYAnissimo: Zum Flughafen bitte
Irgendwie ist diese Hausbesetzerei putzig. Hätten wir die nicht einfach ein paar Wochen links liegen lassen können?
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Irgendwie ist diese Hausbesetzerei putzig. Hätten wir die nicht einfach ein paar Wochen links liegen lassen können? Bisschen was zum Gucken, Aufregen und Spekulieren: Wie lange werden sie durchhalten ohne Wlan und all die Aufmerksamkeit? Nun ist es zu spät, die Besetzer liegen längst am Heiligen See. Das ist ja in Potsdam auch ein Protest.
Ich wünschte mir, alle die, die meinen, im demokratischen Prozess nicht gehört zu werden, würden sich im selbigen mal einbringen. Beispielsweise einen Mitgliedsantrag bei einer politischen Partei stellen. 200 Aktivisten könnten die diversen Ortsverbände schon aufmischen. Aber Mitgliedsbuch und Beiträge, Satzungen und Sitzungen, vor denen man auch noch Unterlagen lesen muss – völlig oldschool und Establishment. Gähn.
Protest ist viel cooler. Schön, dann aber bitte dort, wo es Sinn macht. Wie wäre es mit einer wütenden Demonstration gegen die Schlamperei und Verarsche am BER? Gab es je eine Sitzblockade auf der Zufahrtsstraße für Baulaster und klimatisierte Aufsichtsratslimousinen? Haben Aktivisten und Vielflieger je das Gelände besetzt, und die Arbeiter, die hier verschlissen werden, ausgesperrt?
Nein. Wir haben gegen Flugrouten und für Lärmschutz demonstriert und gekämpft. Dann war alles ausgefochten – und nun? Wir machen Witze, wir jammern, wir warten – und vor allem haben wir keinen Bock mehr auf das Thema. Aber läge die Baustelle direkt neben der Nuthestraße oder Avus und würden hier zur Hauptverkehrszeit täglich eine Million Euro in einem hübschen Lagerfeuer verbrannt – der Aufschrei wäre riesig. Wir wären auch ziemlich entrüstet, wenn das Finanzamt auf seinen Bescheiden genauestens den Betrag ausweisen würde, den jeder von uns bisher in dieses Projekt gesteckt hat (und werden wird), über welche rechentechnischen Umwege auch immer. Wir sind nämlich alle BER.
Und ich glaube langsam, es gibt gar keinen. Die Sitzungen und Begehungen, die Versammlungen, das Geheule mit Schnittchen und Kanapees hinter verschlossenen Türen, es findet vermutlich längst in einem Paralleluniversum statt. Unsere netten BER-Kollegen aus der Redaktion machen sich mehrmals pro Woche einen schönen Tag mit Picknick und Fußmassage, weil es keine echten Pressekonferenzen mehr gibt. Weil der BER von einem Hacker gesteuert wird. Eine Minecraft-Baustelle, nur, dass der Typ am Rechner eingeschlafen ist. Da hilft Besetzen wohl auch nicht mehr. So, das musste mal raus.
Bliebe zum Besetzen noch die Babelsberger Post. Mit Öffis erreichbar, Dönerbuden vor der Haustür – ideales Besetzerterrain. Es muss ja nicht lange dauern, nur bis der Post-Pressesprecher erklärt, warum die Post höchstselbst den Mietvertrag kündigte, sich an genau diesen Vorgang aber nicht mehr erinnern kann.
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg
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