
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Zum Helden geboren
Stammzellen aus Nabelschnurblut können Leben retten. Spenden kann man jetzt auch im St. Josefs-Krankenhaus
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Es tut nicht weh, es kostet nichts, es nützt der Allgemeinheit – drei gute Gründe, so Mattias Leupold, leitender Oberarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des St. Josefs-Krankenhauses, sich bei der Geburt seines Kindes für eine Nabelschnurblutspende zu entscheiden.
Seit September kooperiert das St. Josefs-Krankenhaus mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) in Dresden, die seit 2008 auch eine von mehreren öffentlichen Nabelschnurblutbanken in Deutschland unterhält. „Wir arbeiten derzeit deutschlandweit mit 175 Krankenhäusern zusammen“, sagt Pressesprecherin Sonja Krohn. Noch sei es leider so, dass zu 97 Prozent die Nabelschnur nach der Geburt im Müll lande. Dabei können die aus Nabelschnurblut gewonnenen Stammzellen lebensrettend sein. „Da wollen wir ran“, so Krohn.
Weil diese Stammzellen noch nicht ausgereift sind, sind sie äußerst wandlungsfähig und finden derzeit bei über 70 anerkannten und erprobten Behandlungsindikationen Einsatz: Zum Beispiel bei Leukämie- und Anämieformen, Lymphomen, und angeborenen Stoffwechselerkrankungen, erklärt Leupold.
Die Idee, aus der Nabelschnur nach der Geburt Blut zu entnehmen und einzufrieren, gibt es schon seit einigen Jahren. Private Firmen bieten den Eltern an, die Spende ihres Kindes für in der Regel bis zu 20 Jahren aufzubewahren. Doch das kostet oft mehrere tausend Euro und unterscheidet sich von der Praxis der öffentlichen Spenderdateien in einem wesentlichen Punkt: Das Material darf nur für das eigene Kind genutzt werden. „Ich sehe das sehr kritisch, gerade für die Behandlung von genetischen Krankheiten ist eine sogenannte autologe Spende sinnlos, weil die Krankheit im Zellkern bereits angelegt ist“, sagt der Gynäkologe Leupold. Lediglich in wenigen Fällen, zur Gewebszüchtung, bei Diabetes I und Morbus Parkinson kann die eigene Spende verwendet werden. Viele Eltern, die sich dennoch entscheiden, für ihr eigenes Kind zu spenden, tun dies, weil sie hoffen, dass die Forschung neue Therapiemöglichkeiten entwickeln wird. „Ich kann das gut verstehen“, so Leupold.
„In unserem Krankenhaus haben Eltern deshalb die Wahl zwischen privater und öffentlicher Spende, wir bieten umfassende Information, wollen aber niemanden beeinflussen“, sagt der Mediziner. Grundsätzlich mache eine Spende für eine öffentliche Blutbank natürlich mehr Sinn, weil sie allen Erkrankten zur Verfügung steht. Mit der Anzahl der Präparate wachse die Wahrscheinlichkeit, im Krankheitsfall einen Treffer zu erzielen. Momentan befinden sich weltweit etwa 600 000 eingelagerte Spenden in öffentlichen Banken, 26 000 wurden bereits transplantiert. Von den etwa zwei Millionen privat eingelagerten seien andererseits nur 20 für eine Transplantation infrage gekommen, sagt Leupold.
Wenn sich Eltern entscheiden, das Nabelschnurblut ihres Neugeborenen für die gemeinnützige DKMS zu spenden, ist das keine große Sache – und für die Familie kostenlos. Die Eltern müssen sich nirgendwo anmelden, sondern können sich spontan entscheiden – beim Geburtstermin oder erst während der Entbindung. „Wir haben die Entnahmesets vorrätig“, sagt Leupold. Knapp 60 Milliliter Blut werden nach dem Auspulsieren und Abnabeln aus der Nabelschnur entnommen und per Kurier an die Firma verschickt. Die Frau könne in jeder Position gebären, der Geburtsverlauf werde nicht beeinflusst, so der Arzt. Nur bei Mehrlingsgeburten, Kaiserschnitt und Wassergeburten sei eine Entnahme nicht möglich, heißt es von der DKMS.
Bei etwa 540 Geburten im Jahr hatten sich bisher jährlich bis zu 30 Eltern für eine private Nabelschnurblutspende entschieden. Seit September wurden schon neun Blutspenden an die DKMS verschickt.
Die Dresdener Nabelschnurbank wirbt mit dem Slogan „Kleine Helden gesucht“, denn alle 45 Minuten reiße in Deutschland die Diagnose Leukämie jemanden aus seinem Leben, darunter viele Kinder und Jugendliche. Vielen könne durch eine Stammzellentherapie geholfen werden.
Auch im Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum weiß man das. „Wir unterstützen beide Modelle der Nabelschnurblutspende, sowohl für den Eigenbedarf als für gemeinnützige Blutbanken“, sagt der kommissarische Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Dr. Bernd Köhler. Seit fünf Jahren arbeitet die Klinik mit dem Norddeutschen Knochenmark- und Stammzellspender-Register (NKR) zusammen. Bei über 1700 Geburten seien durchschnittlich etwa 100 Blutspenden im Jahr eingegangen, schätzt Köhler. In den letzten Monaten habe das NKR keine Spenden aus finanziellen Gründen entgegennehmen können, heißt es auf der Internetseite vom NKR. Köhler geht davon aus, dass das künftig wieder möglich sein wird.
In Potsdams einzigem Geburtshaus habe es bisher keine Anfragen dazu gegeben, sagt Hebamme Claudia Krönke. „Dass es jetzt auch die Möglichkeit gibt, für gemeinnützige Blutbanken zu spenden, finde ich sehr schön“, sagt die Hebamme. „Wir werden uns, wenn es gewünscht ist, natürlich bemühen, den Kontakt zu einer solchen herzustellen“, so Krönke vom Geburtshaus Apfelbaum.
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