Von Henri Kramer: Zurück ins Fremde
Junge Entwicklungshelfer reden in Potsdam über ihre Arbeit im Ausland
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Plötzlich hält sie einen kleinen Zweig zwischen ihren Fingern. Franziska Pfeiffer blickt genau auf die hellgrüne Raupe, die darauf sitzt – und lächelt fröhlich. Sekunden später konzentriert sich die 23-Jährige wieder. Sie sagt: „Das meine ich mit den kleinen Details, die man zu schätzen lernt, wenn man lang im Ausland war.“
Die Studentin der Geo-Ökologie an der Universität Potsdam sagt oft Sätze dieser Art. Derzeit hat sie viele junge Menschen um sich, die ähnlich denken: Sie ist eine von rund 250 Entwicklungshelfern, die sich noch bis Ende dieser Woche auf Hermannswerder treffen, um dort über ihre Erfahrungen und Erinnerungen als Helfer in insgesamt 39 Ländern zu sprechen. Und darüber, was nun kommen soll. Denn das Motto der Konferenz heißt „Und jetzt?!“.
Das passt zu Franziska Pfeiffer. In Australien war sie, in Indien, mehr als zwei Jahre ihres Lebens wohnte sie nicht in Deutschland. Zuletzt hat sie in Nicaragua geholfen, eine Biogasanlage für eine Zirkusschule aufzubauen. Nun ist sie wieder zurück für ihr Studium – und hat schon wieder Lust auf ein Auslandssemester. Und neue Projekte. In welchem Land dies sein wird, ist Franziska Pfeiffer egal: „Mir kommt es mehr darauf an, was ich mache, als wo ich bin.“
Solche Gedanken teilt sie mit vielen Konferenzteilnehmern. Ihre Unterkunft liegt bei den Grünanlagen der Hoffbauerstiftung auf Hermannswerder, dort stehen viele Zelte und eine Bühne. Getagt wird im Blauhaus nebenan, in Arbeitsgruppen und bei Vorträgen geht es um Themen wie Entwicklungspolitik, Freiwilligenarbeit, nachhaltiges Wirtschaften und gerechte Globalisierung – und immer wieder um das Wort Engagement.
Auch Moritz Mußmann benutzt diesen Begriff häufig. Der 21-jährige Jurastudent aus Frankfurt am Main ist einer der Organisatoren und hat wie Franziska in Nicaragua geholfen: Mit dem Unterschied, dass er Gemüsegärten angelegt hat. Ein wesentlicher Sinn der Konferenz liegt für ihn nun darin, dass die Teilnehmer sich für weitere Hilfeprojekte in Entwicklungsländern zusammenschließen oder gegenseitig beraten können. Er sagt: „Wer ein Jahr als Helfer in solchen Ländern war, hat oft das Gefühl, noch mehr tun zu müssen.“
Nicht jeder im Alter der beiden Helfer wird so denken. Und anfangs war auch ihre Motivation diffuser, den Sprung von Deutschland in die Welt zu wagen: Sie mochten schlicht nicht gleich nach der Schulzeit ein Studium beginnen. „Ich wollte wissen, was wirklich wichtig ist in der Welt“, sagt Franziska Pfeiffer.
Hat sie gefunden, was sie gesucht hat? Franziska überlegt kurz. Sie sagt: „Viele Sachen relativieren sich.“ Feststehende Weltsichten: Die Erkenntnis beispielsweise, das sauberes Wasser eben „keine Normalität“ ist. Auch Zusammenhänge hat sie kennen gelernt, die sie vorher so nicht wusste: Etwa, dass in Indien viele Bauern ihre Kühe frei laufen lassen, damit sich die Tiere von Abfällen selbst ernähren, wodurch sie auch für das Gemeinwesen einen Zweck erfüllen.
Aber auch die Sicht auf ihre Heimat hat sich für die junge Frau verschoben. Franziska kommt aus einer Kleinstadt in Sachsen : „Ich habe sie aus der Ferne viel mehr wertschätzen gelernt, all ihre Details.“ Jene Details eben, die das Leben schön machen können – wie eine grüne Raupe.
Wie junge Menschen selbst als Entwicklungshelfer im Ausland arbeiten können, darüber informiert im Internet die Seite www.undjetzt-konferenz.de. Zudem findet heute und morgen auf Konferenz-Areal auf Hermannswerder ein „Markt der Möglichkeiten“ statt, bei dem sich Organisationen aus dem Bereich vorstellen werden.
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