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Homepage: Zusammen rudern

Für den neuen FH-Präsidenten Eckehard Binas sind Mitwirkung, Motivation und Konsens die wichtigsten Ziele

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Das war nicht bloß eine Rede. Nein, was Eckehard Binas, der neue Präsident der Fachhochschule Potsdam, den Hochschulangehörigen zur Amtsübergabe am Donnerstag sagte, hatte eine anspruchsvolle Tiefe, die man bei solchen Anlässen eher selten findet. So stellte Binas ein Gleichnis an den Anfang: vom Fischer und dem Touristen, der den Fischer ungläubig fragt, warum er in der Sonne sitze und nicht noch mehr arbeite. Dann könne er sich Mitarbeiter leisten und den ganzen Tag in die Sonne schauen. Doch der Fischer antwortet, dass er das nicht brauche, weil er ja jetzt schon in der Sonne sitzen könne. Binas hat dieses Bild gewählt, weil es schief ist, eigentlich gar nicht stimmt. Die Frage sei doch, warum wir es eben nicht so machen wie der Fischer, warum wir uns nicht mit dem begnügen, was wir brauchen. Der Mensch und die Gesellschaft seien eben komplexer. Und offenbar hätten die Menschen ein Problem, das was bislang sinnvoll war, auch morgen noch als solches anzuerkennen. Dies sei eine Herausforderung für alle.

Am Ende seiner philosophisch angelegten Ansprache löste Binas das Gleichnis auf: Vielleicht würden Fischer und Tourist doch noch zusammenkommen und gemeinsam in See stechen. Und er schloss mit einem Gedicht von Reiner Kunze, in dem zwei unterschiedlich begabte Menschen zusammen ein Boot steuern. Das Signal, das Binas aussendet, lautet Konsens und Mitwirkung. „Allein wird es keinen Sinn geben, ohne Füreinander keine Ermöglichung von Sinn“, sagte er. Dass er in seiner Rede zum Beginn seiner Amtszeit seinen Kollegen im positiven Sinne viel zumutet, ist Absicht. Er will die Hochschulangehörigen so nicht nur erreichen, sondern auch motivieren. „Der zentrale Gedanke ist die Mitwirkung, die Bereitschaft zu stärken, sich in der Hochschule zu engagieren“, erklärte Binas gegenüber den PNN. Er wolle die verschiedenen Potenziale der FH aktivieren, wolle die sehr gute fachliche Situation besser nutzen. Dazu müsse auch die interne Kommunikationskultur gefördert werden.

Binas, der aus der Kulturwissenschaft kommt, wird an der FH von vielen als Vertreter der weichen Fächer, also dem sozialen und kulturellen Bereich gesehen. Sein Vorgänger, der Bauingenieur Johannes Vielhaber, galt eher als Vertreter der technischen Fächer. Doch einen Bruch mit der Ausgangslage strebt Binas nicht an. Er wolle die technischen Fächer der FH weiter fördern. „Aber ich bin kein Ingenieur, sondern Philosoph und Kulturwissenschaftler.“ So könne es sein, dass er bestimmte Aspekte der Hochschule unter einem anderen Licht betrachte. Er will die FH als offenen Lernraum verstehen, in dem Sinngebungen entstehen. Das sei ein Sichtweise, die ihn von den Ingenieuren sicher unterscheide. „Aber das ist für mich die zentrale Frage: Sinnfindung steht immer infrage, sie muss immer neu errungen werden.“ Und das könne nur gemeinsam gemacht werden. „Sinngebung ist immer notwendig sozial.“ Er verstehe daher die Hochschule als Raum für Sinnverhandlungen.

Diese Haltung bringt auch neue Strukturen hervor. So will Binas einen studentischen, ehrenamtlichen Vizepräsidenten einführen. „Als Zeichen dafür, dass ich sehr eng mit den Studenten zusammenarbeiten möchte.“ Auch will er stärker mit anderen Hochschulen und der regionalen Wirtschaft kommunizieren. Dafür solle es Vizepräsidenten für Forschung und Transfer, Internationales und Hochschulmarketing sowie Studium und Lehre geben. Die neuen Strukturen würden keine Kehrtwende in der Anerkennung der Ideen und Leistung der technischen Bereiche bedeuten. „Im Gegenteil, es muss eine bessere Zusammenarbeit der harten und weichen Wissenschaften stattfinden.“

Eckehard Binas war im Juli 2012 vom Senat der Fachhochschule Potsdam zum Präsidenten der FH gewählt worden. Seine Amtszeit begann zum Jahresbeginn 2013. Binas, 1955 in Berlin geboren, hat an der Humboldt-Universität Berlin Kulturwissenschaften studiert und dort 1985 promoviert. Der Professor für Kulturphilosophie war bislang Dekan der Fakultät für Wirtschafts- und Sprachwissenschaften der Hochschule Zittau/Görlitz. Die Potsdamer FH kennt er aus eigener Erfahrung: Von 1993 bis 1999 war er hier am Aufbau des Studiengangs Kulturarbeit beteiligt. Als Freiberufler im Kulturbereich war er nach der Wende ins akademische Leben zurückgekehrt und hat Erfahrungen an verschiedenen Hochschulen gesammelt.

Sein Amtsvorgänger Johannes Vielhaber kehrt nach sechsjähriger Amtszeit nun in seine FH-Professur für konstruktiven Ingenieurbau zurück. Er wäre zu einer weiteren Amtszeit bereit gewesen, unterlag aber überraschend seinem Mitbewerber Binas. Zu seinen Erfolgen zählt Vielhaber die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit, die Idee der Forschungsprofessuren und das gute Abschneiden im Wettbewerb exzellente Lehre: „Das hat unserer Hochschule einen deutlichen Schub nach vorne gegeben“, so Vielhaber. Auch baulich erwartet er Fortschritte, nach derzeitigem Stand könnte die FH 2016 komplett am Campus Pappelallee konzentriert sein. Vielhaber sagte, dass er seinem Nachfolger ein bestens aufgestelltes Haus hinterlasse. Eckehard Binas dankte ihm dies: Dass die Hochschule auf gutem Weg sei, habe sie in starkem Maße seinem Amtsvorgänger zu verdanken. „Ich zolle ihm meinen ausdrücklichen Respekt“, so Binas. Besonderes Lob erhielt Vielhaber auch von Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos): Dass die Hochschulstrukturkommission bei der Potsdamer FH kaum Änderungsbedarf sah, sei sein Verdienst, sagte sie zur Amtsübergabe im sattsam gefüllten großen Hörsaal der FH.

Unter dem Stichpunkt „Urbane Zukunft“ möchte der neue Präsident nun an einen Schwerpunkt anknüpfen, der bereits von seinem Vorgänger angestoßen wurde. Das soll eine Dachmarke werden als wichtiger Orientierungspunkt für alle Fachbereiche. „Das wird eine große integrative Kraft haben und eine wissenschaftliche Herausforderung sein“, sagte Binas. Hinzu kommen seine Erfahrungen aus dem Transformationsprozess der Peripherie: „Potsdam hat hier eine prädestinierte Rolle, da die Stadt genau an der Schnittstelle zwischen ländlichen und urbanen Räumen liegt.“

Dass auch Änderungen in der Fächerstruktur der Fachhochschule in Zukunft denkbar sind, will Binas nicht ausschließen. So sollen die beiden Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen enger miteinander kooperieren. Grundsätzlich gelte: „Strukturen, in denen Probleme entstehen, sind nicht geeignet, diese Probleme zu lösen.“ Es gibt Fachbereiche in der Hochschule, die seien an der Leistungsgrenze und könnten ihre Potenziale aus den bestehenden Strukturen nicht entfalten. Hier gebe es Handlungsbedarf. „Aber das würde ich nie übers Knie brechen, sondern immer im Konsens mit den Beteiligten lösen“, sagte Binas. Womit wir wieder beim Anliegen seiner Rede wären: gemeinsam in See stechen, zusammen rudern, der Fischer mit dem Touristen oder – wie bei Kunze – der Sternenkundige zusammen mit dem Experten für Stürme.

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