zum Hauptinhalt

Homepage: Zuschauer an die Hand nehmen

Filmforschung denkt über Zukunft des Kinos nach

Stand:

Nun ist der demografische Wandel auch im Kino angekommen. Zwar – bis auf wenige Ausnahmen – nicht auf der Leinwand, aber doch bei den Produzenten und Geschäftsführern. Seit rund anderthalb Jahren macht man sich Gedanken darüber, wie das Kino der Zukunft aussieht. Eine durchaus berechtigte Frage, wird es doch laut Statistik schon im Jahre 2030 in Deutschland doppelt so viele Menschen mit über 60 Jahren geben als unter 20-Jährige. Darauf muss auch das Kino reagieren. Gerade vor dem Hintergrund des Zuschauerknicks, der im vergangenen Jahr die deutschen Kinos heimgesucht hat. Die Besucherzahlen waren um fast 18 Prozent, der Umsatz um 16 Prozent zurückgegangen.

Mit der Frage, was zu tun ist, beschäftigt sich das an die Universität Potsdam angebundene Erich Pommer Institut (EPI) nun in einer Studie. Befragt werden dafür Experten aus Forschung und dem Filmgeschäft. Die Potsdamer Filmhochschule hat parallel dazu beim Publikum nachgefragt, was die in Zukunft wichtige Gruppe der „Best-Aged“ („im besten Alter“), die so genannte Generation 50-Plus vom Kino erwartet. Erste Ergebnisse wurden nun am Rande der Berlinale vorgestellt. Die Ausgangslage: Die Kernzielgruppe schrumpft, und davon gehen auch noch weniger ins Kino. Größer wird hingegen die Gruppe über 50-Jährigen. „Die zentrale Frage lautet, wie verbringt man seine Zeit sinnstiftend auch ohne Beruf“, so der Leiter des EPI Klaus Keil, der seit kurzem auch eine Stiftungsprofessur an der HFF inne hat. Die Bilder von der schwachen, kränklichen älteren Generation sind für Keil überholt: Im Gegenteil seien die Alten heute äußerst fit und neugierig. „Neue Vorstellungen über das Alter sind nötig, neue Bilder über das Altern“. Damit habe man dann auch gleich Stoff für die Filme. „Themen mit Anknüpfungspunkten werden gefragt sein“, prognostiziert Keil.

Schon heute habe die ältere Generation eine Kaufkraft von 90 Milliarden Euro, die Prognosen sehen diese gar auf zwei Billionen Euro anwachsen. Als Aufgaben für die Kinos sieht Keil unter anderem, dass Filmtitel klar verständlich und Inhalte benennbar werden. Hinzu komme die Kommunikation im Kino: Leitsysteme sollen den Zuschauern das Kinoerlebnis erleichtern, etwa ein Counter für Vorbestellungen und Parkplätze. „Es geht um das an die Hand nehmen“, so Keil.

Zudem sei die Generation 50-Plus mit Printmedien groß geworden. Für Booklets, wie etwa vor kurzem für den Film „Sommer vorm Balkon“, gäbe es eine große Nachfrage. Zur Bedrohung der Kinos durch Filme auf DVD zitiert Keil schließlich einen Kino-Experten aus den USA: „Im Restaurant erwartet man besseres Essen als zu Hause – das Gleiche sollte auch für die Kinos gelten.“

Die Studie der HFF, von Prof. Lothar Mikos und Dr. Dagmar Hoffmann zusammen mit Forsa erstellt, kam zu dem Ergebnis, dass der Kinogänger der älteren Generation deutsche und US-Filme bevorzugt. Sex- und Gewalt hält die Gruppe der 50- bis 70-jährigen für überrepräsentiert, was allerdings nicht die Erotik betreffe. Die Generation 50-plus werde gerne exklusiv behandelt und besuche die Kinos hauptsächlich zur Prime-Time (17-22 Uhr). Den exklusiven Charakter des Kinos, das Kino als Erlebnisort – hier ist mehr als Film denkbar – seien die Vorteile des Kinos, die man gegenüber dem Fernsehen ins Feld führen müsse.

Mehr als einmal im Monat gehen derzeit von der älteren Generation nur fünf Prozent ins Kino, 50 Prozent gehen gar nicht ins Kino. Die Kinogänger sind eher jünger (50 bis 56 Jahre), 38 Prozent bevorzugen Multiplex-Kinos, 32 Prozent kommunale Vorführungen, 31 Prozent IMAX und nur 20 Prozent Programmkinos. Gar nicht ins Kino gehen 24 Prozent weil der Preis zu hoch ist, der gleichen Zahl reicht das Fernsehen aus, 23 Prozent ist die Entfernung zum nächsten Kino zu groß. Am liebsten mit dem Partner ins Kino gehen von den Älteren 73 Prozent, über 65 Prozent sehen am liebsten Natur- und Tierfilme.

Durchaus interessante Ergebnisse, allerdings müsste der Blick auch auf die heute 30- bis 40-Jährigen gerichtet werden, denn die sind die „Best-Aged“ von morgen. Jan Kixmüller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })