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Landeshauptstadt: Zwei Jubiläen fallen ins Wasser

1304 Ersterwähnung Bornstedts und von Potsdam als Stadt – doch die Urkunde ist falsch datiert

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1304 Ersterwähnung Bornstedts und von Potsdam als Stadt – doch die Urkunde ist falsch datiert Von Erhart Hohenstein Im Jahr 1304 verkauften die Brüder von der Gröben ein Stück Land in der Feldmark ihres Dorfes und Sitzes Bornstedt „den Ratmannen des stedeken Potsdam“. Die Urkunde darüber hat sich im Stadtarchiv im Original erhalten. Sie ist das erste Zeugnis dafür, dass Potsdam eine kleine Stadt war – eine Urkunde über die offizielle Verleihung des Stadtrechts existiert nicht – und dies bedeutet zugleich die Ersterwähnung von Bornstedt. Also könnten in diesem Jahr zwei 700-Jahr-Feiern steigen. Die Stadtverwaltung will nicht feiern, wie die PNN auf Anfrage erfuhren. Auch eine Einzelveranstaltung ist im Potsdamer Kulturkalender nicht vorgesehen. In Bornstedt sieht sich die Kirchengemeinde außerstande, das Jubiläum groß herauszubringen. Ein Festgottesdienst sei allerdings möglich, teilte Jutta Erb-Rogg, die Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, mit. Sie habe aber zunächst eine Anfrage an das Stadtarchiv zur Verlässlichkeit der Urkunde gestellt. Das war genau der richtige Schritt. Lange Zeit wurde die Urkunde aus dem Jahr 1304 nicht in Zweifel gezogen, und das wird sie auch heute nicht. Hinter die Datierung setzen die Historiker nun aber ein Fragezeichen. Im 2000 erschienenen „Städtebuch Brandenburg und Berlin“ heißt es ohne nähere Begründung erstmals, dass Potsdam 1404 („in der Urk. fälschl. 1304“) als Stedeken genannt wird. Der Historiker und Archivar Prof. Dr. Friedrich Beck hat dazu als Ergebnis seiner Forschungen jetzt einen Beitrag „Potsdams älteste erhaltene Urkunde und die Ersterwähnung von Bornstedt“ vorgelegt, der im Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte erscheinen wird. Seine detaillierte Beweisführung, wonach die Urkunde 100 Jahre später ausgestellt wurde, ist schwerlich zu erschüttern. Er zieht dazu u.a. die Besitzverhältnisse – Anfang des 14. Jahrhunderts befanden sich Potsdam und Bornstedt noch in der Hand des Landesherren – Sprache und Schrift der Urkunde sowie die Nennung von 1304 in Potsdam noch nicht vorhandenen „Ratmannen“ heran. Kein Zweifel, die beiden Jubiläen können in diesem Jahr nicht begangen werden. Aber auch um ein Jahrhundert korrigierte 600-Jahr-Feiern wären unangebracht. Schon vor 1404 wird der städtische Charakter Potsdams in Urkunden bestätigt (1345, 1375), und für Bornstedts Ersterwähnung liegt in einer Abschrift aus dem 16. Jahrhundert ein Dokument aus dem Jahr 1323 vor. Gerade die Bornstedter werden über das entgangene Jubiläum und dessen Werbewirksamkeit nicht traurig sein. Ihr Ort steht durch den historischen Prominentenfriedhof und das sanierte, zu einem Gaststätten- und Erlebniskomplex ausgebaute Krongut ohnehin im Mittelpunkt des touristischen Interesses. Außerdem wissen sie, dass ihr Dorf weitaus älter ist, als die Ersterwähnung besagt: Es wurde bereits um 1160 auf Land gegründet, das ein Mitglied der Adelsfamilie von Bornstedt höchstwahrscheinlich als Belohnung für seine Hilfe bei der endgültigen Eroberung der Brandenburg (1157) durch Albrecht den Bären erhielt – oder durch Erzbischof Wichmann von Magdeburg, der den Markgrafen unterstützte. Der Edelmann übertrug den Namen seines bei Eisleben gelegenen Heimatortes auf die neue Siedlung. In Frage käme Esico von Bornstedt, der an Albrechts Feldzug teilnahm, mit den Askaniern verwandt war und in Urkunden des Markgrafen, aber auch Wichmanns häufig als Zeuge aufgeführt wird. So könnte es gewesen sein – wobei die Mittelalterforscher Professor Dr. Helmut Assing und Dr. Lutz Partenheimer, Uni Potsdam, gegenüber den PNN berechtigt darauf hinwiesen, dass solche begründeten Überlegungen nach mehr als acht Jahrhunderten Spekulation bleiben müssen. Wenngleich die Jubiläen ausfallen müssen – die umstrittene Urkunde von 1404 (1304) und die Überlegungen dazu wären es wert, in einer Veranstaltung vorgestellt und diskutiert zu werden. Mit dem Historischen Institut der Universität, dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, dem Potsdam-Museum oder den „Lindstedter Begegnungen“ der URANIA gäbe es dafür eine ganz Reihe kompetenter Ausrichter.

Erhart Hohenstein

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