Landeshauptstadt: Zwischen Himmel und Erde
Doreen Schaldach inszeniert märchenhafte Babyfotos – und fotografiert auch Sternenkinder, die den Weg ins Leben nicht schaffen
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Doreen Schaldach kann sich noch gut erinnern, wie es war, als sie in einem professionellen Fotostudio von ihrer kleinen Tochter Babyfotos machen lassen wollte. „Der Raum war kalt, mit einer blauen Standardfototapete ausgestattet. Das Kind brüllte und vorne im Laden warteten schon die Nächsten.“ Das ist schon lange her, die Tochter längst erwachsen. Und Doreen Schaldach ist seit sechs Jahren selbst freiberufliche Fotografin, Schwerpunkt Babyfotografie. Vor einem Jahr zog sie in ein kleines Atelier, um noch entspannter und professioneller arbeiten zu können. Seit kurzem bietet sie auch Eltern totgeborener Kinder an, ein Erinnerungsfoto zu machen.
Auf der Internetseite Dein-Sternenkind.eu ist sie eine von vielen Fotografen weltweit, die sich diesen Service zutrauen. Nicht jeder kann das, sagt sie. Doch der Bedarf ist da. Wenn ein Kind noch im Mutterleib oder kurz nach der Geburt verstirbt, gilt das heutzutage nicht mehr als Tabuthema. Es wird offener darüber geredet als noch vor wenigen Jahren, die Eltern müssen sich mit ihrer Trauer, ihrem Schmerz nicht mehr verstecken.
Und viele Eltern wünschen sich auch von solchen Sternenkindern, wie die Totgeborenen genannt werden, Erinnerungsbilder. Doch selber fotografieren ist schwer in solchen emotionalen Momenten, selbst ein gut gemeinter Schnappschuss der Hebamme ist meist nicht mehr als ein Polaroid, das mit der Zeit allerdings verbleicht. Das ist nicht immer als angemessene Erinnerung geeignet.
„Aber man hat bei diesen Kindern nur eine Chance. Es gibt kein Wiederkommen in einer Woche“, sagt Doreen Schaldach. Die Fotografin fährt in so einem Fall direkt ins Krankenhaus. Im Potsdamer Bergmann-Klinikum hat sie sich vorgestellt, dort vermittelt man sie an Eltern, die bereits wissen, dass sie ein Sternenkind erwarten. Eltern können dann schon lange vorher – auch über die Internetseite – Kontakt zu ihr aufnehmen, oder aber auch spontan anrufen. „Mein Handy ist immer an“, sagt die Fotografin. Etwa 25 Sternenkinder werden im Bergmann-Klinikum jedes Jahr geboren.
„Für mich ist es ein Kind zwischen Himmel und Erde, und es geht um die kleine Seele“, sagt Doreen Schaldach. Sie fotografiert noch im OP-Saal oder im Abschiedsraum, der solchen intimen Momenten vorbehalten ist: winzige Babyfinger, zarte Füßchen, ein Köpfchen versteckt unter einer Mütze, vielleicht im Arm der Eltern – als sei das Kind nur eingeschlafen. Deformierungen und andere Anzeichen der Krankheit des Kindes bleiben im Hintergrund, unscharf oder ganz verdeckt. „Wir professionellen Fotografen haben ja viele Möglichkeiten, mit denen wir arbeiten können“, sagt sie. In solchen Momenten konzentriert sie sich ganz auf ihr Handwerk. „Ein Bild von seinem Sternenkind zu haben ist wichtig, es hilft beim Abschiednehmen, bei der Verarbeitung, bei der Trauer“, sagt Schalldach. Auch wenn manche Eltern es erst viel später schaffen, sich das Bild anzuschauen – manchmal erst nach Jahren: „Das Kind ist nicht vergessen.“
Die heute 43-Jährige begann nach der Schule eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester, bevor sie sich aufgrund einer Allergie auf Chemikalien beruflich neu orientieren musste. Doch die Erfahrungen aus dieser Zeit, auch der Umgang mit sterbenden Kindern, helfen ihr jetzt, selbst in solchen Momenten professionell zu arbeiten, zu erspüren, was der Situation angemessen ist. Ob jemand Trost und Nähe braucht oder Abstand und Stille. Sie hat bereits in einem Berliner Kinderhospiz fotografiert, Berührungsängste angesichts des Todes sind ihr fremd.
Einfühlungsvermögen und Geduld braucht sie ohnehin für die Arbeit in ihrem „Fotostübchen“. In dem kleinen Laden in einer stillen Nebenstraße in Babelsberg macht sie Kinderfotos, hauptsächlich von Neugeborenen. Eine Woche oder zehn Tage alt sind die Kinder, die hier in Szene gesetzt werden – in einer Welt voller Rüschen und Röschen, einer lebensgroßen Puppenstube und jeder Menge Kitsch. Das ist gut nachgefragt: „Manche Eltern melden sich für einen Termin an, da ist die Frau gerade mal schwanger“, sagt die Fotografin. Berliner und Potsdamer sind unter ihren Kunden, viele kommen aus der Film- und Künstlerbranche, „darunter aber auch Handwerker und Banker“, sagt Doreen Schaldach.
Ihr Konzept beruht im Grunde auf Selbstverständlichkeiten, was den Umgang mit so zarten Lebewesen betrifft. Das Studio ist warm, auf kuschelige 28 Grad angeheizt. Sofaecke, Wickeltisch, Teeküche, alles da. Fotografiert wird nur bei Tageslicht, grelle Beleuchtung oder gar Blitz sind tabu. Vor allem aber nimmt sich die Fotografin reichlich Zeit für jedes Kind – mehrere Stunden. Niemand drängelt, wenn es mal länger dauert. Und es dauert eben, bis das Kind eingeschlafen ist. Das aber ist das Ziel: „Bei mir schlafen sie alle“, sagt Doreen Schaldach. Wenn die Kleinen satt sind, geben die Mütter sie ab – in die Hände der Fotografin. Dann werden diese kleinen Menschenkinder in den Schlaf gewiegt, drapiert und zurechtgelegt, eingewickelt in Spitze oder bekleidet, als wären sie einer Folge der „Kleinen Strolche“ entsprungen. Für Mädchen gibts Kleider, für Jungs Karo-Latzhosen und Mini-Schiebermütze. Vieles im Fotostübchen wurde eigens auf ihren Wunsch hin angefertigt, anderes stammt vom Flohmarkt wie antike Puppenwagen und Schaukelpferde, Puppenbettchen, Kinderspielzeug. Die Neugeborenen passen in diese Welt wie Schneewittchen in das Haus der Zwerge. Und nicht selten seien gerade die Väter sehr gerührt, wenn sie ihr Kind in dieser Atmosphäre mit ganz anderen Augen sehen. „Ich sag dann aber: Bitte nicht zu Hause nachmachen, denn solche Posen sind nur in der ersten Zeit nach der Geburt möglich, wenn die Gelenke, die Muskeln noch weich sind. Ich spüre, was das Kind mitmacht“, sagt Doreen Schaldach.
Wer schon laufen kann, so das Konzept der Fotografin, wird nicht mehr in der Puppenstube fotografiert, sondern muss hinaus in die Welt, in den Garten hinterm Haus, in die Natur, auf den Gehweg. Als Deko dienen dabei alte Spielzeugautos, Kinderstühlchen, Gartenutensilien – und gern auch mal der Familienhund. Mehrere Hundert Euro kostet so eine Fotosession – je nach Anzahl der Bilder und Sonderwünsche. Fotos von Sternenkindern kosten nichts. „Die sind ein Geschenk von der Initiative „Dein Sternenkind“ sowie des jeweiligen Fotografen für die Eltern“, sagt Doreen Schaldach.
Kontakt unter www.doreenschaldach.de und www.dein-sternenkind.eu
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