SCHLOSSGESCHICHTE: Zwischen Hoffnung und Verfall
Die Ausstellung „Rohkunstbau“ rückt das verträumte Schloss Marquardt wieder in den Blickpunkt des Interesses
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Den heutigen Namen hat Theodor Fontane geprägt: Schloss Marquardt. Dreimal war der Dichter bei seinen Wanderungen durch die Mark in Marquardt und hat die Hoch-Zeiten des malerisch gelegenen Herrenhauses erlebt. Seit 16 Jahren ist das Schloss geschlossen und wartet auf den erlösenden Kuss eines Investors – doch bislang vergeblich. Jetzt ist es aufgrund der Ausstellung „Rohkunstbau“ erstmals wieder öffentlich zugänglich. Nicht alle Besucher kommen wegen der Exposition – viele wollen ganz einfach das Schloss von innen sehen. Betrachtet man die Tapeten, Täfelungen und den Kamin in der pompös ausgestatten Empfangs- und Treppenhalle oder richtet den Blick nach oben auf die Stuckdecken, hat sich gegenüber den Vorjahren kaum etwas verändert: sanierungs- und restaurierungsbedürftig ist es, aber nicht akut gefährdet.
Marquardts Ortsvorsteher Wolfgang Grittner, der sich seit Jahrzehnten für die Erhaltung des Schlosses einsetzt und es 2006 in einer Broschüre der Reihe „Schlösser und Gärten der Mark“ vorgestellt hat, teilt die Landschlösser in der Potsdamer Umgebung in drei Kategorien ein: „Rettung“ wie in Kartzow, „Verfall“ wie in Satzkorn und „Hoffnung“ – dazu zählt er Marquardt. „Unter Einbeziehung der Denkmalbehörde haben wir uns mit der Penelope Immobilien GmbH als Eigentümerin über Sicherungsmaßnahmen für den Bau verständigt“, berichtet er. „So ist das Dach abgedichtet worden, auch im Kellerbereich laufen Arbeiten.“ Allerdings ist es Penelope nach wie vor nicht gelungen, das an Stelle eines Vorgängerbaus 1879/80 erneuerte und seitdem mehrfach umgebaute Herrenhaus für die geforderten 6,9 Millionen Euro an einen Investoren und neuen Nutzer zu veräußern. Die Sanierungskosten des Schlosses werden auf 35 bis 45 Millionen Euro geschätzt. Daher kehrt lediglich in den großen Saal sporadisch Leben ein. Der kann bei der Schlossverwaltung für Familien- und Unternehmensfeiern angemietet werden. Auch dann bleibt den Gästen aber der Blick in andere Räume verwehrt. Zu regelmäßigen oder Sonderführungen, für die erhebliches Interesse bestände, konnte sich der Eigentümer bisher nicht entschließen.
So muss auch Wolfgang Grittner seine Führungen auf den Schlosspark beschränken. Dazu lädt er am Sonntag, dem 2. August um 14 Uhr, wieder ein. Dem einstündigen Spaziergang schließt sich eine Kaffeetafel an. Der Park ist in gutem Zustand. Bereits ab 1981 wurde er von einem ehrenamtlichen Parkaktiv gepflegt. Der hartnäckige Grittner hat in den letzten Jahren umfangreiche Sanierungsarbeiten am wertvollen Baumbestand sowie an der Wegeführung durchgesetzt. Dabei wurden auch zwei Brücken wiederhergestellt. Zurzeit erkundet Wolfgang Grittner den tief hinab reichenden Eiskeller, früher ein Muss für jedes Landschloss.
Andere geschichtsträchtige Parkarchitekturen sind dagegen für immer verloren. Von der berühmten Blauen Grotte, in der Hans Rudolph von Bischoffswerder für seinen königlichen Freund Friedrich Wilhelm II. Geister beschwor, findet sich allenfalls mal ein blauer Glassplitter.
Verschwunden ist ebenso die Grabstätte der Familie Bischoffswerder, die von 1795 bis 1860 auf Marquardt herrschte. Mit wechselnden Eigentümern und Nutzern bis hin zum Großgastronomen Kempinski häuften sich die Veränderungen. Soweit wie möglich soll der Park auf der Grundlage eines Parkpflegewerks aber wieder auf die Gestaltung zurückgeführt werden, die ihm 1823 der berühmte Landschaftsgestalter Peter Joseph Lenné gegeben hatte.
Und dann wäre da noch der Gutshof. Dort steht ein Schild der Leipziger Vicus AG – Aktiengesellschaft für City Development, die zwei denkmalgeschützte Gebäude als Einfamilienhaus mit 250 Quadratmeter Wohnfläche beziehungsweise für zwei Eigentumswohnungen zu je 100 Quadratmeter anbietet – eigener Bootssteg am Schlänitzsee zugesichert. Allerdings tut sich dort seit Monaten nichts, hat Grittner beobachtet. Optimistisch dagegen Vicus: „So ab August wollen wir anfangen“, ist im Büro zu erfahren.
Die Ausstellung Rohkunstbau ist noch bis zum 13. September jeweils donnerstags bis sonntags am Nachmittag geöffnet.
1704: Ludwig von Printzen erhält den Gutsbesitz Schorin zum Lehen, das durch Friedrich I. in „Marquard“ umbenannt wird.
1795: Hans Rudolph von Bischoffwerder, General und Minister bei Friedrich Wilhem II., und sein Sohn, Wilhelm Hans Rudolph Ferdinand erweitern Gut und Herrenhaus Marquardt.
1823: Der Park wird nach Skizzen von Peter Joseph Lenné gestaltet. Theodor Fontane bezeichnet das Haus als erster als Schloss.
1892: Der Berliner Industrielle Louis Raven erwirbt Marquardt und baut das Schloss in der noch heute existenten Gestalt um.
1932: Der Hotelier Kempinski aus Berlin lässt das Schloss zum Hotel mit 47 Betten umbauen.
Nach 1945: Das im Zuge der Bodenreform enteignete Schloss wird erst Flüchtlingsquartier, dann Kindererholungsheim und Gehörlosenschule. Später nutzt das Lehr- und Versuchsgut Bornim und bis 1993 das Institut für Obstbau und Obstzüchtung der Berliner Humboldt-Universität das Gebäude. PNN
Erhart Hohenstein
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