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Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke: Zwischen Hollywood und Kaltem Krieg
Es war das größte Tauschgeschäft auf der Glienicker Brücke im Kalten Krieg: Am 11. Juni 1985 wurden 23 West-Spione und vier Ost-Agenten ausgetauscht. Nun jährt sich das Ereignis, das auch Hollywood inspirierte, zum 30. Mal. Ein Rückblick.
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Potsdam/Berlin - In diesem Jahr wird der Mythos der Glienicker Brücke weiter befeuert: Im Oktober startet Steven Spielbergs „Bridge of Spies“ („Brücke der Spione“) in den angelsächsischen Kinos. In den Hauptrollen: Tom Hanks – und die legendäre „Agentenbrücke“, die Potsdam und Berlin verbindet. Drei Mal wurden dort während der Blockkonfrontation Spione zwischen Ost und West ausgetauscht, die größte Aktion datiert vom 11. Juni 1985. Sie jährt sich nun zum 30. Mal.
Anders als bei den Hollywood-Dreharbeiten – wo im vergangenen Jahr auch viele Schaulustige ihre Smartphones und Kameras zückten – war 1985 nur ein journalistisches Filmteam vor Ort. Die Bilder gingen dennoch um die Welt. 23 aufgeflogene West-Spione durften im Austausch für vier enttarnte Ost-Agenten zurück in die Heimat. Es war das zweite Tauschgeschäft des Kalten Kriegs. Kein Jahr später folgte der dritte und letzte Agentenaustausch auf der Brücke – dieses Mal vor vielen Augen der Weltöffentlichkeit.
Keine Hochkaräter unter den Spionen
Der Großtausch vor 30 Jahren stieg ausgerechnet an „High Noon“: Um 12 Uhr mittags stehen sich Diplomaten und Geheimdienstler aus West und Ost auf der Glienicker Brücke gegenüber. Zwischen ihnen verläuft eine weiße Linie, die die Grenze zwischen Ost und West markiert. In Bussen sitzen die entlarvten Spione. Richard Burt, späterer US-Botschafter in Bonn, überquert die Linie und verkündet den gefangenen West-Agenten ihre baldige Freiheit. Jubel bricht aus.
Dass es sich um einen regelrechten Massenaustausch handelte, zeugt davon, dass keine Hochkaräter unter den Spionen waren. „Die CIA-Agenten, die im Osten verhaftet wurden, waren kleine Fische, Freizeit-Agenten“, sagt der Publizist und Agentenaustauschexperte Norbert Pötzl. Sie hätten oft nur kleinere Aufgaben gehabt wie etwa Truppenbewegungen zu melden. „Lange Zeit haben sich die Amerikaner für diese in der DDR Inhaftierten gar nicht interessiert, sie haben sich gar nicht dazu bekannt.“
Auslöser des Austauschs war denn auch eigentlich der sowjetische Dissident Nathan Scharanski, der aus Israel stammte und in den 1970er-Jahren verhaftet worden war. „Um seine Freilassung bemühten sich Juden im Westen“, erzählt Pötzl. Doch die Verhandlungen dauerten Jahre, unter anderem weil die Sowjets darauf bestanden, Scharanski als Spion auszutauschen, während die Amerikaner ihn als politischen Häftling ansahen. „So kamen mit der Zeit andere Gefangene ins Gespräch“, sagt Pötzl.
Vom ersten Agentenaustausch gibt es keine Bilder, aber einen neuen Film
Am Ende stand die 25:4-Lösung des 11. Juni 1985, 25 Westagenten gegen vier Ostagenten. Zwei westliche Agenten blieben zunächst im Osten, um persönliche Dinge zu regeln. Scharanski kam dann im Folgejahr frei, wiederum als Teil eines Agentenaustausches – wenn auch symbolisch getrennt, weil er als erster und allein die Brücke überquerte. Der neue Sowjetführer Michail Gorbatschow habe seinen Fall loswerden wollen, meint Pötzl.
Geboren wurde der Mythos der Agentenbrücke schon 23 Jahre zuvor, beim ersten Austausch, von dem es keine Bilder gibt. Dessen Geschichte erzählt der neue Hollywood-Film mit Tom Hanks. Hanks spielt den US-Anwalt James B. Donovan, der das Geschäft auf westlicher Seite einfädelte. Zunächst überzeugte Donovan eine amerikanische Jury davon, den entlarvten sowjetischen Top-Atomspion Rudolf Abel als mögliches Tauschobjekt nicht zum Tode zu verurteilen. Nach anschließenden Verhandlungen mit DDR-Anwalt Wolfgang Vogel – im Film gespielt von Sebastian Koch – wurde Abel im Februar 1962 gegen den US-Pilot Francis Gary Powers übergeben, der auf einem Spionageflug über der Sowjetunion abgeschossen worden war. Weitere Austauschaktionen über die DDR-Grenze sollten folgen.
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Vogel, der laut Pötzl an nahezu allen beteiligt war, habe selbst rund 150 Agenten bis 1989 gezählt. Die meisten Fälle verliefen eher unspektakulär. Oftmals seien Agenten einfach zur Grenze gefahren oder in einen Zug gesetzt worden, sagt der Experte. Selbst die Übergabe von Kanzleramtsspion Günter Guillaume an die DDR verlief ohne große Öffentlichkeit. Umso filmreifer inszenierten West und Ost die Deals auf der Glienicker Brücke – und lieferten damit die Vorlage für Hollywood.
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