Kultur: „... ausgezeichneter Geiger und mittelmäßiger Komponist“
Musikfestspiele ehren 2004 in besonderem Maße den Venezianer Antonio Vivaldi, einen angesehenen Opernkomponisten und pfiffigen Theaterleiter
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Musikfestspiele ehren 2004 in besonderem Maße den Venezianer Antonio Vivaldi, einen angesehenen Opernkomponisten und pfiffigen Theaterleiter „...Don Vivaldi, den man wegen seiner roten Haare il prete rosso'' nannte, war ein ausgezeichneter Geiger und mittelmäßiger Komponist“, schreibt anno 1735der Komödiendichter Carlo Goldoni über eine Begegnung mit dem venezianischen Komponisten und Impresario Antonio Vivaldi. Der ist gerade dabei, seine Oper „Griselda“ für das Theater von S. Samuele in Szene zu setzen. Der Eigentümer des Theaters bittet den Dichter, die notwendigen Änderungen vorzunehmen, „sei es, um das Drama abzukürzen, sei es, um die Stellung und den Charakter der Arien nach dem Wunsch der Sänger und des Komponisten zu ändern“, erinnert sich Goldoni. Das Werk gelingt. Der Komponist befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn. Als Antonio Vivaldi 1678 in Venedig geboren wird (der Vater ist Friseur und betätigt sich nebenher als ein so guter Geiger, dass er in das berühmte Orchester von San Marco aufgenommen wird), herrscht in der Inselrepublik eine rege Bautätigkeit, blühen die Geschäfte der Banken und das Glücksspiel. Die Serenissima hat sich zu einem Wallfahrtsort für kunstsinnige wie vergnügungssüchtige Reisende entwickelt. In späteren Jahren werden sie neben Stadtansichten von Canaletto auch Concerti von Vivaldi als Mitbringsel erwerben. Auf ihrer Besichtigungstour stehen auf jeden Fall die vier „Ospedali“, vom Staat finanzierte Wohlfahrtseinrichtungen für außerehelich geborene, verwaiste oder bedürftige Mädchen. „Man bildet sie einzig dazu aus, um sich in der Musik auszuzeichnen“, berichtet der französische Gelehrte und Musikfreund Charles de Brosses an seine Freunde in Dijon. „Daher singen sie wie Engel und spielen Violine, Flöte, Orgel, Oboe, Violoncello, Fagott... Sie werden klösterlich wie Nonnen gehalten.“ Am häufigsten besucht er das Ospedale della Pietà „wegen der Vollkommenheit des Orchesters“. Was natürlich kein Wunder ist, wird es doch von Vivaldi geschult, der dort ab 1703 als Maestro di Violino (Geigenlehrer) angestellt ist. Mit wenigen Unterbrechungen (Reisen u.a. nach Wien, Amsterdam und zur Aufführung seiner Opern in anderen italienischen Städten) bleibt er der Pietà über dreißig Jahre lang eng verbunden. Rasch arbeitet er sich empor, die Entlohnung steigt gleichermaßen. 1716 beschließt die Congregazione, den inzwischen berühmten Vivaldi zu einem Maestro de concerti zu befördern. Nun ist er für die Orchesterleitung und das Komponieren neuer Werke verantwortlich. In die Zeit immer umfangreicher werdenden Verpflichtungen fällt Vivaldis freiwilliger Entschluss, sich von einem Teil seiner priesterlichen Verpflichtungen – dem Messelesen – zu lösen. „... und dies allein wegen einer Krankheit, an der ich von Geburt an leide“, wie er in einem Brief schreibt. Es handelt sich dabei um Asthma bronchialis, das ihn – der schon nach der Geburt von schwächlicher Konstitution ist, sodass er notgetauft werden muss – den Altardienst nicht ausüben lässt. Als 15-jähriger erhält er Mitte September 1693 die Tonsur und die erste der vier niederen Weihen (Ostiario), die letzte der drei höheren Weihen (Sacerdote) Ende März 1703. Priesterliche Ausbildung und musikalische Studien bis hin zur Berufsausübung als Musiker lassen sich nach damaligen italienischen Gepflogenheiten durchaus in Einklang bringen. Anstelle der geistlichen nun also die musikalische Laufbahn. Dennoch behält er den Titel Abate (weltlicher Priester) bis an sein Lebensende. Er schreibt für viele Gelegenheit, und die Einfälle für seine unzähligen Concerti, geistlichen Werke oder Sonatensammlungen fliegen ihm nur so zu. Für den steigenden Ruhm im Ausland sorgen Venedigtouristen und Musiker, die des Meisters Unterweisung auf der Geige genießen wollen. Andere wie Bach lassen sich Notendrucke seiner Werke kommen, um sie zu studieren und zu bearbeiten. Geschäftstüchtig wie er ist, verkauft Vivaldi seine Werke zu mehr als nur marktüblichen Preisen. Noch mehr Geld lässt sich dagegen mit Opern zur Karnevalszeit verdienen, wenn man zugleich sein eigener Impresario ist. Ab 1714 ist er einer dieser venezianischen Theater-Manager – neben seiner Karriere als Komponist und seinen „Pietà“-Verpflichtungen. Unermüdlich sprudeln die Ideen und schnell muss es gehen. „Ich habe es gehört, wie er sich anbot, ein Konzert mit allen Stimmen in kürzerer Zeit zu komponieren als ein Kopist zum Abschreiben braucht“, erzählt de Brosses. Er beliefert Theater in Florenz, Rom, Vicenza, Parma, Ferrara, Mailand, Mantua... Vermutlich hier beginnen die amourösen Beziehungen zu Anna Giraud (Girò), die – zunächst wohl seine Schülerin – seit 1726 die Primadonnenrollen in seinen Opern singt und seine Geliebte wird. Er konzertiert vor dem Papst, wird von diesem hoch geehrt. Er reist nach Deutschland, macht Station in Wien. Seit Mai 1730 wohnt der Abate in einem zum Canal Grande hin gelegenen Haus, unmittelbar neben dem Palazzo Bembo, für das er einen jährlichen Mietpreis von 136 Dukaten entrichtet – fast das Doppelte dessen, was die vorherige Wohnung gekostet hatte. Er muss also gut verdienen, um sich diesen Luxus des Standortes leisten zu können. Es könnte alles so schön sein, wenn nicht am Ospedale erste dunkle Wolken heraufzögen. Das Verhältnis zu den leitenden Stellen verschlechtert sich, auch das jährliche Salär. In einem neuen Vertrag wird seine ständige Anwesenheitspflicht in Venedig vereinbart. Als 1737 Kardinal Ruffo ihm eine weitgehend fertige Opernaufführung in Ferrara verbietet, beginnt die Reputation Vivaldis in der Lagunenstadt merklich zu sinken. Er geht nach Wien. Doch der ausbrechende Erbfolgekrieg ist der Entfaltung seiner künstlerischen Tätigkeit abträglich. Er verkauft weitere Werke, um leben zu können. Arm und einsam stirbt am 28. Juli 1741 in Wien. Die Musikfestspiele ehren ihn in diesem Jahr mit der Wiederentdeckung der Oper „la fida ninfa“ und mehreren Konzerten. Peter Buske
Peter Buske
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