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Joggt jetzt in einem anderen Tempo. Eberhard Kapuste, Schriftsteller und Rentner.

©  Andreas Klaer

Kultur: „Aber ein Dackel? Nein!“

Eberhard Kapuste hat einen Roman über die Tücken im Rentnerdasein geschrieben – Ein Gespräch über das Alter

Stand:

Herr Kapuste, was bedeutet Alter für Sie?

Es sind die kleinen und alltäglichen Dinge, die eine neue Bedeutung bekommen.

Welche kleinen und alltägliche Dinge meinen Sie?

Als mein Vater über 80 war, da hat er sich sehr genau überlegt, ob er nun zum Friseur geht oder nicht.

Das ist aber für Sie doch noch kein Thema?

Nein, aber Alter ist ja ein schleichender Prozess, nichts, was ruckartig geht, wie ich mir das früher als junger Mensch vorgestellt habe. Wenn man nicht kritisch ist, kann es sein, dass man es lange Zeit auch gar nicht merkt. Man sieht sich jeden Tag im Spiegel und einem fällt nichts auf. Wenn ich mir aber jetzt, mit 75 Jahren, Fotos ansehe, die mich mit 65 zeigen, sehe ich doch, wie viel sich verändert hat.

Eine schmerzhafte Erkenntnis?

Nein, Altern tut nicht weh, insofern man keinen Unfall hatte oder eine Krankheit. Altern ist für mich ein ganz normaler Abschnitt im Leben, hinter dem nichts mehr kommt. Ich persönlich habe vor dem Tod keine Angst, eher vor den Umständen. Aber das ist nichts Originelles. Das ist das Spezifische, das Endliche. Ich muss auch sagen, man hat so einige Zipperlein, man vergisst immer mehr Dinge und ich jogge mit einem anderen Tempo, das ist ganz klar.

Ist Alter für Sie eher ein Zustand der Zufriedenheit oder doch der Unruhe?

Ich berufe mich da mal auf aktuelle Untersuchungen, die besagen, dass die Gruppe der 70-Jährigen in europäischen Ländern die zufriedenste Altersgruppe ist. Sie haben meistens noch Geld, auch wenn sie konspirativ sagen, dass es nicht reicht, weil man an sich ja jammern muss. Die Kinder sind aus dem Haus, man hat etwas erreicht, man hat eine Position, von der man auf einige Dinge schon gelassener zugehen kann. Das kritische Alter fängt mit 80 Jahren an.

In ihrem Roman „Der Besserwisser. Showdown am Treppenlift“ erscheint das Alter jedoch eher als Problem. Der erste Satz ist ein Zitat des Schriftstellers Lothar Günther Buchheim: „Alter ist scheiße!“

Ja, das ist natürlich ein Einstieg, um erst einmal Aufmerksamkeit zu erregen. Ich habe mit dem Rentner Gerhard Nodlich einen streitbaren Menschen genommen, weil man an dem besser die unterschiedlichsten Facetten herausarbeiten kann. Aber dieser streitbare Mensch – zumindest habe ich versucht, ihn so zu schildern – ist im Inneren ja nicht unzufrieden mit seiner Situation. Es macht ihm ja auch Spaß, andere Leute vorzuführen, ihnen zu widersprechen.

An Gerhard Nodlich sehen wir aber auch, dass man im Alter nicht unbedingt ruhiger lebt. Da ist die Familie, die an sein Geld will, die Frau, seine ehemalige Geliebte, sein Nachbar. Der arme Kerl kommt einfach nicht zur Ruhe.

Ja, aber es gibt ja auch den dummen Spruch: Rentner haben nie Zeit. Man macht sich da ja vielleicht falsche Vorstellungen im Vergleich zu früher. Abgesehen davon, dass die Leute früher gar nicht so alt geworden sind. Wenn man was erledigt hat, ist man mit 60 Jahren zur Ruhe gekommen und hat dann vielleicht noch drei oder vier Jahre gehabt. Heute haben Sie noch 30 Jahre nach der Pensionierung. Da setzt man sich doch nicht zur Ruhe und kauft sich einen Dackel.

Was spricht gegen den Dackel? Ist der keine Alternative für Sie?

Sicherlich kann ich mir vorstellen, dass ich gewisse Dinge lasse, dass ich beispielsweise ab einem gewissen Punkt nicht mehr für bestimmte Ämter kandidiere. Irgendetwas aber ergibt sich immer. Aber ein Dackel? Nein!

Es gibt Momente in Ihrem Roman, da glaubt man förmlich zu spüren, dass Gerhard Nodlich nichts gegen den trügerischen Frieden bei Dackelspaziergängen hätte. Der Mann ist nicht nur rüstiger Renter, er hat auch noch geerbt und wird von seinen Lieben belagert wie von Geiern.

Ja, so ein Erbkonflikt ist ja immer auch ein Familienkonflikt. Beim Schreiben dieses Konflikts ist mir noch klarer geworden, dass dies ein spezielles Problem der Zeit ist. Die Leute erben mit 60 oder 70 Jahren, früher haben sie mit 40 oder 50 Jahren geerbt. Da konnten sie mit dem Geld für sich noch was anfangen, das Haus abzahlen oder für die Kinder einen Sparvertrag anlegen. Heute wartet man lange und kommt in einem Alter zu einem Erbe, in dem man es an sich gar nicht mehr braucht, sondern die nächste Generation. Und schon ist man wieder in einem Konflikt.

Was hat Sie eigentlich bewogen, diesen Roman zu schreiben?

Das Buch habe ich vor vier Jahren angefangen. Einfach weil ich alt bin und weil mich etwas immer gestört hat: Wenn alte Leute in Filmen, im Fernsehen oder Büchern geschildert werden und mal nicht einfach nur die Figuren in den Nebenrollen sind, erleben wir die immer so ein bisschen gönnerhaft, wohlwollend dargestellt. Nach dem Motto „Die schaffen das schon noch.“ Dadurch kam es eben zu der Figur Gerhard Nodlich. Ein sehr streitbarer Mensch, der nicht immer recht hat, trotzdem aber auf seine Standpunkte beharrt. Ich wollte das mal in eine Hauptperson eingebunden schildern.

Vier Jahre für einen Roman? Das ist eine gute Zeit.

Vor vier Jahren habe ich mit dem Schreiben angefangen, war aber nicht ganz zufrieden, vor allem mit dem Ende nicht. Dann habe ich es liegenlassen und vor zwei Jahren wieder aufgegriffen.

War dieses Buch ein Projekt, das Sie sich für die Zeit nach Ihrer Pensionierung vorgenommen hatten?

Ja, die Idee zu schreiben hatte ich schon oft gehabt, aber aus beruflichen Gründen nicht die Zeit dafür gefunden. Mein erstes Buch habe ich dann gegen Ende meiner Dienstzeit geschrieben. Nicht autobiografisch über meine Dienstzeit, sondern über das Millieu. „Der Absprung“ heißt es. Das gibt es sogar noch.

Wir haben es bei „Der Besserwisser“ mit Literatur zu tun. Trotzdem stellt sich die Frage, vor allem auch durch die deutlichen Bezüge zu Potsdam, wie viel von Ihnen in der Hauptfigur Gerhard Nodlich steckt.

Sicherlich steckt eine Menge von mir drin, wobei vieles nicht spezifisch Kapuste ist. Wenn Gerhard Nodlich sagt, er ist jemand, der sich über die vielen Handys aufregt, dann ist das sicherlich nicht allein Kapuste. Es gibt sicherlich Millionen Menschen, die sich darüber ärgern. Dann sind da viele Erfahrungen von Dritten drin und natürlich auch Erfundenes. Oft wird das vermengt und komprimiert und dann kommt was ganz anderes dabei heraus.

Gab es Themen, die für Sie tabu waren?

Beim Thema Alterssexualität, die es ja gibt, habe ich mich sehr zurückgehalten.

Da habe ich doch Hemmungen, dass die Leute denken: Was ist der doch für ein Schwein, der Kapuste. Wir haben es ja schon immer geahnt!

Aber Ihr Gerhard Nodlich ist deswegen nicht gerade ein Mönch.

Ja, ich schreibe natürlich schon, dass er gerne mal jungen Mädchen hinterherguckt.

Das Gespräch führte Dirk Becker

„Der Besserwisser. Showdown am Treppenlift“ ist im Burghügel Editionsverlag erschienen und kostet 14,90 Euro

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