Kultur: „Aber Stille macht auch Angst“
„Filmernst“ brachte „Rhythm is it!“ im Filmmuseum zur Aufführung
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„Filmernst“ brachte „Rhythm is it!“ im Filmmuseum zur Aufführung Das Kino ist rappelvoll. In den Reihen lümmeln sich Kids mit Basecap und gemütlichen Kapuzenshirts. Es läuft weder ein Blockbuster, noch gibt es Popcorns und Cola. Es ist 10 Uhr morgens und es ist Kultur während der Schulzeit angesagt. Gezeigt wird ein Dokumentarfilm, was in den Ohren der Schüler furchtbar klingen mag. Doch es ist keineswegs furchtbar, und selbst die zappligsten Unruhegeister halten die fast zwei Stunden ohne große Lärmausbrüche durch. Und genau um diese Frage dreht sich auch der Film „Rhythm is it!“, der an diesem Vormittag gleich zwei Mal im Filmmuseum läuft. Wie intensiv können sich Jugendliche auf Herausforderungen einlassen, wie viel trauen sie sich selbst zu? Als das von den Regisseuren Thomas Grube und Enrique Sánchez begleitete Tanzprojekt begann, an dem 250 Berliner Kids im Alter von 8 bis 20 Jahren teilnahmen, gab es die größte Unruhe. Nur schwer vermochte es der Choreograf Roysten, die notwendige Disziplin unter den Schülern einzufordern. Doch er zog das Vorhaben mit gebotener Härte durch – ließ dabei aber immer die Tür zum Gehen offen. Nur wenige gingen. Roysten wusste, dass die Schüler vor allem deswegen ständig schwatzen, weil es ihnen an Selbstvertrauen fehlte. „Das Gelächter zeigt, dass tief in ihrem Inneren Angst sitzt. Sobald Stille ist, kann man besser auf seinen Körper hören. Aber Stille macht auch Angst.“ Vier Wochen liefen die Proben, viele wuchsen über sich selbst hinaus. Auch wenn die Strenge mitunter demotivierend war, ging es nach manchem Tief wieder nach oben. Die „Tänzer“ spürten, dass sie die Kraft aus ihren eigenen Körpern schöpften. Die Befürchtung der Lehrerin, dass die Schüler durch das Projekt überfordert sein könnten, erwies sich als falsch. Zu wenig kannte sie „ihre“ Kinder. Die Aufführung in Begleitung der Berliner Philharmonie in der Arena in Treptow wurde zu einem furiosen Erfolg. Nicht nur künstlerisch. Es setzte eine Fantasie in den Schülern frei, die sie in ihrer Selbstbehauptung beflügelte. „Ihr seid absolut in der Lage, auf der Bühne die Besten zu sein.“ Dieses von Roysten in sie gesetzte Vertrauen versetzte Berge – und eine einst antriebslose Lottertruppe stemmte so eine streng gearbeitete Choreografie auf die Bühne. „Versteck dich nicht, komm endlich mal raus, zeig was du kannst, und ernte Applaus“, singt eine Rapper-Truppe am Anfang und Ende des Films. Die meisten der Potsdamer Jugendlichen bleiben nach dem Abspann im Kino sitzen, lassen sich auch auf das Gespräch mit dem Regisseur ein - das allerdings mehr zu einem Monolog gerinnt. Sich im großen Kreis anderer Schüler zu äußern, will schließlich auch gelernt sein. Drei Jahre arbeitete Thomas Grube mit seinem Team an dem Film. Permanent habe er Zweifel am Erfolg gehabt, hielt dem Erwartungsdruck so vieler Menschen kaum stand. Doch auch er gewann: die Sympathie des Kinopublikums. Vor allem vieler Lehrer, die sich wieder inspiriert fühlten in ihrer Arbeit mit den Schülern. Denn „Rhythm is it!“ kann überall stattfinden – auch ohne Sir Simon Rattle und den Philharmonikern. Die Schüler vom Potsdamer Schiller Gymnasium bestätigen dies. Sie arbeiten gerade an einem Opern-Rap gemeinsam mit der Staatsoper. Der Film sollte weitere Funken schlagen – darauf hofft auch „Filmernst“, eine medienpädagogische Offensive, die zu dieser Doppelvorstellung gemeinsam mit dem Schirmherrn, Bildungsminister Holger Rupprecht, geladen hatte. Und auch er war des Lobes voll, nicht nur, weil er seine Dienstzeit mal im Kino verbringen durfte. Er fand es spannend, dass so ein Projekt gerade Schülern ein Erfolgserlebnis brachte, die im Unterricht höchst selten welche haben. „Jeder sollte die Chance bekommen, an solch“ einem Projekt teilzunehmen.“ Heidi Jäger
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