zum Hauptinhalt
Ist in zwei Sprachen zu Hause. Der Regisseur Stanislav Güntner.

© Manfred Thomas

Kultur: Abseits der Ikonen

Stanislav Güntner stellte im Thalia-Kino in der Reihe „Russischer Salon“ seinen Film „Nemez“ vor

Von Sarah Kugler

Stand:

Das Leben eines Heranwachsenden ist nie einfach. Sieht man mal von den alles durcheinanderbringenden Hormonen ab, stehen da immer noch die Fragen nach der Ausbildung, der Berufswahl, der sexuellen Orientierung und natürlich der großen Liebe im Raum. Wenn dann auch noch das Problem der Heimat, die Frage nach der eigenen Herkunft und der Zugehörigkeit eine Rolle spielen, ist das Chaos komplett. Dann kommt man um einigen Ärger vielleicht nicht herum.

So ist das auch in Stanislav Güntners erstem Langspielfilm „Nemez“, abgedreht schon im Jahr 2012, und vom Regisseur selbst am vergangenen Sonntag im Babelsberger Thalia Kino in der Reihe „Russischer Salon“ vorgestellt. Der Film erzählt von Dima (Mark Filatov), der mit seinen Eltern von Russland nach Deutschland ausgewandert ist. So richtig weiß Dima nicht, wohin er gehört, irgendwann gerät er ins kriminelle Milieu und unter die Fittiche des bösartigen Kunstdiebes Georgij (Alex Brendemühl). Für den scheint klar, wohin Dima gehört, er ruft den Jungen „Nemez“, was russisch ist und „Deutscher“ bedeutet. Nach einem missglückten Raubüberfall versucht Nemez auszusteigen, doch als er sich in die Kunststudentin Nadja (Emilia Schüle) verliebt und Georgij ihn zwingt, einen letzten Coup durchzuziehen, droht auf einmal sein gesamtes Leben umzukippen.

Güntners Film ist eine klassische Coming-of-Age-Geschichte, die sich zwar einerseits ein wenig auf Stereotypen ausruht, das aber andererseits durch viel Witz und Wärme wieder vergessen macht. Für Stanislav Güntner, der selbst als Kind mit seiner Familie von Russland nach Deutschland kam, war es vor allem wichtig, die Zerrissenheit zu zeigen, in der sich ein junger Mensch so zwischen alter und neuer Heimat befinden kann. „Für mich“, sagte er im Gespräch nach dem Film, „ ist es inzwischen so, dass beide Kulturen zu mir gehören“. Das macht er an ganz essenziellen Dingen wie der Sprache fest: „Ich bin Russlanddeutscher, wenn ich einen Monat kein Russisch spreche, geht es mir schlecht, wenn ich einen Monat kein Deutsch spreche, ist es genauso.“

Deshalb war es Stanislav Güntner auch wichtig, die russlanddeutsche Familie so authentisch wie möglich darzustellen, wofür er am Sonntag vom Publikum auch viel Lob bekam. Auf die Frage, warum er denn ausgerechnet das Klischee der Kriminalität von Migranten zum Thema seines Films gemacht habe, erklärte er, dass ihn eben die Fallhöhe dabei interessiert hätte: „Eine reine Erfolgsgeschichte zu erzählen ist eher langweilig“, so der Regisseur, der an der Münchner Filmhochschule studiert hat. Er interessiert sich eher für den Kampf, die Konflikte und die viel größere Überwindung, die nötig ist, um den richtigen Weg zu finden. Er selbst habe, das betonte er, keine kriminellen Erfahrungen gemacht, für den Film aber sehr ausführlich dazu recherchiert.

Besonders die Hintergründe zu Ikonensammlungen, also den in der russisch-orthodoxen Kirche beliebten Heiligenbildern, die auch im Film eine entscheidende Rolle spielen, habe es ihm dabei angetan. „Ich finde es schon interessant, dass diese Bilder im Kunstbereich enorm beliebt sind, obwohl sie ja eigentlich dazu da sind, Trost oder einen Erlösungsgedanken zu spenden“, sagte er. Sein Protagonist findet seine Erlösung dann aber doch auf die romantische Art: „Es ist ganz klar die Liebe zu Nadja, die ihn rettet“, so Güntner. Die wird zu seinem Ausweg aus der ganzen Misere und letztendlich weiß Dima durch diese Liebe auch, wohin sein Weg geht, wo seine Heimat ist. Sarah Kugler

Der nächste Film in der Reihe „Russischer Salon“ im Thalia-Kino ist „Iwans Kindheit - Iwanowo detstwo“, der am 15. Februar um 17 Uhr in der Originalversion gezeigt wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })