Kultur: „Achtung. Wertvolle Wandmalerei“
Kurt-Hermann Kühns zerlegtes Wandbild in der Bibliothek: „Die Erben des Spartacus“ als Abstellfläche
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Natürlich ist Unbefugten auf Baustellen der Zutritt verboten. Manchmal ist es aber doch ganz gut, Verbote zu umgehen. Zum Beispiel um zu schauen, was mit denkmalgeschützten Bildern während der Bauphase hinter Absperrbändern passiert. In einem Brief an die PNN machte der Restaurator Ingo Pehla auf die inakzeptablen Zustände auf der Baustelle der Stadt- und Landesbibliothek aufmerksam. „Vollgeschmiert mit Gips und Plastikkleberesten im Bauschutt versinkend stehen die beiden Hälften recht unglücklich platziert im Raum“, beschrieb Pehla die Situation von zwei des in drei Teilen zerstückelten monumentalen Wandfrieses von Kurt-Hermann Kühn, das der 1989 verstorbene Künstler zwischen 1971 und 1974 gemalt hatte.
Es geht also um zwei Zustände, die zu hinterfragen sind. Warum wird erstens ein seit 1977 unter Denkmalschutz stehendes Monumentalbild wie „Die Erben des Spartacus“ zerlegt und nunmehr auf drei Flächen verteilt, die in keinem Sichtzusammenhang stehen? Und warum wird zweitens dieses Kunstwerk während der Bauarbeiten nicht sachgemäß geschützt?
Anders als bei der Besichtigung von Ingo Pehla vor zehn Tagen ist vor dem größten Teil des zerschnittenen Bildwerkes inzwischen eine Folie angebracht. Und es gibt auch die mit Klebestreifen auf die Bilder angebrachten Warnungen für Bauarbeiter: „Achtung. Wertvolle Wandmalerei. Bitte keine Gegenstände anlehnen. Bitte keine Verunreinigung auf der Oberfläche verursachen.“ Doch genau unter einem dieser Zettel stehen am gestrigen Dienstag um 11 Uhr wie zum Hohn etliche Rigipsplatten an das Gemälde gelehnt. Vier Stunden später, als der PNN-Fotograf auf Bitte der Redaktion offiziell Zutritt erhält, sind diese dann weggeräumt. Offensichtlich aber wird das Baumaterial von einer Ecke in die andere getragen – und wenn nun mal gerade an dem Wandbild Platz ist, wird eben die Kunst zur Abstellfläche degradiert. Hätte man nicht die Bildwerke mit Hartfaserplatten überspannen können, so lange bis der unvermeidliche Baudreck vorbei ist?
Schließlich wurde schon sehr viel Mühe in die Sicherung des Bildes gesteckt, als die Berliner Firma Wandwerk 2010 das in Silikattechnik auf Putz gebrachte Werk in 24 Einzelteile schnitt, mit Kunstharz versiegelte und auf ein Gestell mit Gipskartonplatten klebte und schließlich auslagerte. Oberbürgermeister Jann Jakobs bezeichnete das Werk, das nun wieder heimgekehrt ist, damals als „Kostbarkeit“. Es nahm einst die komplette Rückwand der alten Eingangshalle ein. Und es spannte auf etwa 5 mal 16 Metern einen sehr weiten historischen Bogen vom Spartakusaufstand und dem Bauernkrieg, über die Französische Revolution und die Märzrevolution bis zur russischen Oktoberrevolution. In der Mitte thronte ein lesender Arbeiter über der Erdkugel: geradezu ein Kraftpaket, mit einem kleinen Büchlein in der Hand. Der wurde nun von den Aufständischen separiert und soll das künftige Café schmücken, während der Bauernkrieg im Vortragssaal stattfindet und die Darstellungen zur Oktoberrevolution im Lesesaal betrachtet werden können.
Der Kommunale Immobilien Service (KIS) als Bibliotheksbauherr sieht indes keinen unsachgemäßem Umgang mit dem denkmalgeschützten Wandbild. Auf PNN-Nachfrage betonte KIS-Pressesprecher Markus Klier: „Unter Beteiligung von anerkannten Fachleuten wurde sowohl die inhaltliche Aufteilung als auch die stoffliche Teilung des Kunstwerkes intensiv vorbereitet und durchgeführt.“ Im Zuge der Neuplanung der Bibliothek sei in Abstimmung mit dem Amt für Denkmalpflege, der Witwe des Künstlers, Marianne Kühn-Berger, sowie mit der Bibliotheksleitung die Neupositionierung an strategischen und öffentlichkeitswirksamen Punkten der Bibliothek festgelegt worden. Besonders wichtig sei dem KIS die Aussage von Marianne Kühn-Berger gewesen, dass die vorgenommene Teilung im Sinne ihres verstorbenen Mannes sei. Klier äußerte außerdem seine Überzeugung, „dass die neue Platzierung mindestens die Präsentationsqualitäten des alten Standortes erreicht und damit das Kunstwerk keinesfalls seine Bedeutungsqualität verliert, sondern aus unserer Sicht nochmals entscheidend erhöhen kann“. Also kann ein Kunstwerk einfach zerstückelt, die vom Künstler einst gedachte Sinneinheit übergangen werden? Ist der Erhalt dieses Wandbildes aus DDR-Zeiten nicht doch eher halbherzig?
Auf den Vorwurf, dass das Wandbild nicht ausreichend vor Bauschäden geschützt wird, räumte der KIS zumindest Unzulänglichkeiten ein. „Wir möchten feststellen, dass es sich beim Bildungsforum keinesfalls um katastrophale Bauzustände handelt. Zurzeit sind Großteile des Wandbildes mit Folie versehen, um das Bild vor möglichen Farbtupfern zu schützen, da derzeit die Malerarbeiten in diesen Bereichen durchgeführt werden. Es ist aber bedauerlich, dass trotz eindeutiger Hinweise der Bauleitung und ständigem Hinweis in den Bausitzungen heute trotzdem Gipskartonplatten gegen die Folie gestellt waren“, so Klier. Der KIS werde die Bauleitung bitten, vor den Bildern eine Absperrung vorzunehmen, damit kein unmittelbarer Zutritt an die Wände mit dem Kunstwerk erfolgen könne. Vielleicht halfen ja die unerlaubten Baubegehungen mit, dass künftig im Wissensspeicher sensibler auf Kunst geachtet wird. Auch während des Umbaus, der im August 2013 beendet sein soll.
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