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Kultur: Aktenkundig

Landsberg/Gorzów: Zwei Namen – eine Geschichte

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Auf der Suche nach der Vergangenheit machte sich Christa Wolf in ihrem Buch „Kindheitsmuster“ in die frühere Heimatstadt Landsberg auf. Sie begann ihre Aufzeichnungen mit dem Satz: „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd“. Gestern Abend wurde im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte eine Ausstellung eröffnet, die sich der Vergangenheit widmet und die 150 Kilometer von Potsdam entfernte Stadt, die seit 1945 Gorzów heißt, in ihren Veränderungen nachzeichnet.

Zwei Namen – eine Geschichte. Auf 25 Tafeln werden Dokumente über das Leben der 1257 von Markgrafen Brandenburgs gegründeten Stadt an der Warthe aus dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv sowie dem polnischen Staatsarchiv Gorzów Wielkopolski gezeigt. Nur durch die Zusammenarbeit beider Institutionen sei es möglich gewesen, die gesamte Geschichte der Stadt darzustellen, sagte der Direktor des Brandenburgischen Landesarchivs, Klaus Neitmann. Über Jahrhunderte war Landsberg die größte Stadt und wirtschaftliches Zentrum der Neumark. Nachdem es 1945 von den sowjetischen Truppen besetzt wurde, ist die Altstadt zu 90 Prozent beschädigt worden, vor allem durch Brände der Besatzer. Die angesiedelte polnische Bevölkerung war jahrelang mit dem Wiederaufbau beschäftigt gewesen. Heute ist Gorzów mit Frankfurt(Oder) vergleichbar: in ihrer Architektur aus den 50er und 60er Jahren im Stadtkern, einigen Bauten aus der Gründerzeit und den Neubaugebieten ringsherum. Außer der weithin sichtbaren Marienkirche gibt es kaum Sehenswürdigkeiten – wie eine Diashow zeigt.

Die Ausstellung ist ein Versuch, die ganze Breite städtischen Lebens vom Mittelalter bis heute darzustellen. Auf den zweisprachigen Schautafeln, die Überschriften wie „Handel und Verkehr“, „Gewerbe“ oder „Schule“ tragen, sind neben Erklärungen zahlreiche Urkunden, Karten und Fotos zu sehen. Die Bestände beider Archive ergänzten sich wunderbar, sagte der Direktor des Archivs in Gorzów, Dariusz Rymar. Durch die offenen Grenzen innerhalb der EU sei eine unbeschwerte Kooperation möglich gewesen. In Gorzow konnte aus drei laufenden Akten-Kilometern ausgewählt werden, das Archiv in Potsdam sei indes zehn Mal so groß. „Es war schwierig für uns, diesen negativen Vergleich zu überwinden. Hinsichtlich der Qualität stand Gorzow aber gar nicht so bescheiden da“, so Rymar.

2010 wurde die Ausstellung in Gorzów gezeigt: in der neuen Bibliothek mitten im Zentrum, wo sie sich großen Zuspruchs erfreute. Schon 1945, als die Deutschen noch da waren und die Polen kamen, gab es Freundschaften zwischen Familien. Diese Kontakte bestehen bis heute. Ab Mai ist Gorzów wieder direkt von Berlin mit dem Zug zu erreichen, auf der alten Ostbahnstrecke. Auch hier ist das Vergangene nicht tot – und zielt in eine gemeinsame europäische Zukunft. Heidi Jäger

Zur Ausstellung im HBPG erschien ein Katalog (12 Euro), Eintritt ist frei.

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