Kultur: Allein auf fünf Saiten
Ludwig Frankmar in der Kapelle Klein Glienicke
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Die Konzerte am Sonntagnachmittag in der Kapelle von Klein Glienicke sind fast noch ein Geheimtipp, aber nicht mehr lange. Sie bieten immer wieder musikalische Kleinodien und Raritäten, die sonst kaum je zu hören sind. So verwunderte es nicht, dass sogar an einem so sonnigen Sommertag wie vergangenen Sonntag die kleine Kapelle gut besucht war. Nicht mehr als ein einzelnes Barockcello erklang bei der wie üblich einstündigen Vorführung. Der in Berlin lebende Cellist Ludwig Frankmar spielte ein über 250 Jahre altes Instrument des Pariser Baumeisters Louis Guersan, das, ungewöhnlich genug, fünf Saiten hat. Zu den klassischen vier gesellt sich noch eine hohe E-Saite wie bei der Violine dazu. Wie empfindlich das kostbare alte Stück ist, zeigt sich daran, dass es immer wieder nachgestimmt werden muss.
Gambe oder Cello – diese Frage war in Frankreich des 18. Jahrhunderts noch lange nicht entschieden. In höfischen Kreisen hielt man es mit der Gambe, in den bürgerlichen Salons erklang zunehmend das Cello. Doch Marin Marais, Gambist des Königs von Frankreich, zweifelte natürlich nicht, dass die Glorie der Grande Nation allein von der Gambe vermehrt werden konnte. Wie mit dem Zirkel abgemessen erklingen die höfischen Tänze aus seiner Suite g-Moll, die Ludwig Frankmar ein wenig zurückhaltend spielt. Das Cello näselt in den Höhen wie eine Gambe und lässt die dunklen Register in der Tiefe prächtig brummen. Dass gleich danach Sonaten von Domenico Galli ertönen, hätte Marin Marais wohl nicht gefallen. Der Hofgambist lehnte die modische Musik aus Italien ab und verbat seinen Schülern sogar, Sonaten zu spielen. So kam es, dass der italienische Komponist und Zeitgenosse des Franzosen nicht nur einer der Pioniere des Cellospiels wurde, sondern auch ein Vertreter der damaligen neuen Musik.
Wie wirkungsvoll Domenico Gallis melodische, fantasievolle und spritzige Cellosonaten waren, konnte man sich bei Ludwig Frankmars ingeniöser Interpretation gut vorstellen. Auf ausgedehntes, gesangliches Spiel in langen Legato-Linien folgen ausdrucksvolle Passagen im markanten Portato-Vortrag. Zum Finale erklingt ebenfalls eine Gigue, hier allerdings weitaus temperamentvoller als bei der rationalen Musik des Franzosen. Mit seinen sechs Suiten für Violoncello schuf Johann Sebastian Bach eines der heute am meisten gespielten Werke der Cello-Solo-Literatur. Dass die letzte und schwerste davon für ein fünfsaitiges Instrument, eine sogenannte Viola pomposa, komponiert wurde, passt Ludwig Frankmar gerade gut. Er spielt sie auswendig und lässt im Präludium rauschende Wasserfälle aus punktierten und verbundenen Achtelnoten erklingen. Auf eine meditativ-versponnene Allemande folgt eine flott gespielte Courante, bevor das Herzstück der Suite geöffnet wird. Obwohl die herrliche Sarabande eher verhalten und verinnerlicht interpretiert wird, scheint sie doch ein bisschen im Schein ihrer sinnlichen Sexten über dem Erdboden zu schweben. Mit einer majestätischen Gavotte in Rondoform und einer heiteren Gigue beendet Ludwig Frankdam das anregende Konzert in Klein Glienicke. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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