
© Kabarett/Schulzendorff
Von Heidi Jäger: „Alles Banane“ – oder was?
Die drei Kabarettisten vom Obelisk sind unterwegs im Einheitsdschungel: Ausflugsstart ist am 17. April
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Die Orang Utahs waren die Privilegiertesten. Sie kamen noch vor der Stasi und die Kindergärten. Das jedenfalls ist die Versorgungserfahrung eines Gemüse-LKW-Fahrers der DDR in Sachen Bananen. Jeder Ossi hat so seine Bananengeschichte, die nach 20 Jahren Einheit ganz skurrile gelbe und krumme Blüten treibt. Die drei Kabarettisten Gretel Schulze, Helmut Fensch und Andreas Zieger sagen jedenfalls in ihrem Einheitsprogramm, das am 17. April Premiere feiert, „Alles Banane“ und erzählen darin ihre ganz eigenen, aberwitzigen Nachwendegeschichten.
Als erstes konstatierten sie enttäuscht, dass es überhaupt keinen einzigen Witz zur deutschen Einheit gibt. Oder beinahe keinen, denn wie war das noch mit dem Kellner, der von einem Ossi in der Kneipe gefragt wird, welchen Wein er zum Tag der Einheit empfehlen könnte? Die knappe Antwort des Obers: „Wollen Sie feiern? Oder wollen Sie trinken, um zu vergessen?“
Das spitzzüngige Trio vom Obelisk will natürlich nicht vergessen, sondern zieht alle möglichen Experten zu Rate, um zwei Jahrzehnte Wiedervereinigung zu beleuchten. Da gibt es die ganz Akkurate, durchaus revoluzzerhafte Gretel. Dann den stets das Gemütliche herauskehrenden Sachsen Andreas und schließlich den bornierten Mecklenburger Helmut, der selbst politisch verquaste Zusammenhänge in drei Wörtern erfassen kann. Sie mäandern nun auf krummen Bananendschungel-Wegen durch schwarzgelbe Steueroasen, oder frei nach Tokyo Hotel „Durch den Konsum“. Dann wieder offenbaren sich ihnen drastische Erhöhungen der brandenburgischen Mindestlöhne und die endlich vollzogene Einheit von Nord- und Südkorea. Auch berühmte Stargäste geben sich die Ehre im Rampenlicht der Banane, wie das singende klingende Mafia-Duo Eros Ramazotti und Tina Turner, das sich ganz geheim im Brandenburgischen festgebissen hat. Dabei wird nicht nur mit Worten seziert, jongliert und gefochten, sondern auch gesungen, was das Zeug hält, wie im Lied vom Ein-Euro-Jobber, dem Minijob-Hopper.
Auch wenn sie sich nicht quälend in die Bühnenbretter verbeißen, nennen die Humor-Akrobaten natürlich alles beim Namen, was unter ihre spitze Zunge gerät. Vor allem die große Lüge, dass es im Westen alles gibt. Denn Gretel Schulze vermisst die Nahtstrümpfe und Andreas Zieger flucht über Computer, die abstürzen wie im Osten. Aber das Gute: „Wir haben durch die Einheit nicht unser Thema verloren.“ Anders als der Dramatiker Heiner Müller, der nach der Wende aufhörte zu schreiben, weil er die Demokratie als zu langweilig empfand, machen sich die Kabarettisten nun auf die Diktatur des Geldes ihren Reim. Gretel Schulze fühlt sich wie in einer Bananenrepublik: nicht nur angesichts der Schwemme der nahrhaft krummen Gelben, sondern auch aufgrund von „Bestechung, Korruption und Klientel-Politik“. Sie kam in der DDR durchaus gut ohne Bananen aus, mochte sie ohnehin nur zermanscht mit untergerührtem Kakao. Und den gab es ja meistens auch nicht. Sie bedauert, dass aus der Euphorie einer Nacht und der Illusion, eine neue Welt einzurichten, so wenig geblieben ist. Dass das große Abenteuer Freiheit zu Geld gerierte.
„Für mich ist die Wende bis heute etwas völlig Erstaunliches, fast Surreales“, sagt Helmut Fensch. Und Andreas Zieger erinnert sich, wie seine Frau im November 1989 sagte: „Das ist das Ende“. Er habe nicht so gedacht und auch keinen sozialen Schreck bekommen. „Ich habe die Einheit als Herauforderung gesehen.“ Und der stellen sich die drei Kabarettisten bis heute, auch wenn ganz Luckenwalde zum Islam übertritt und keiner mehr mit Bananen bestochen werden kann.
Premiere 17. April, 19.30 Uhr, Kabarett am Obelisk, Charlottenstraße 31, Karten unter Tel.: (0331)291069, Eintritt: 20 Euro
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