zum Hauptinhalt
Perfides Spiel der Verführer. Jaron Löwenberg und Tjadkwe Biallowons.

© A. Klaer

Kultur: Am lebendigen Körper seziert

„Gefährliche Liebschaften“ haben heute in der La Manége am Kutschstall Premiere

Stand:

Barocke Kristallleuchter über verrenkte nackte Barbiepuppen. Ausschweifende Üppigkeit gegen deformierte Unschuld. Das Bühnenbild suggeriert mit wenigen Requisiten, in welche Abgründe das Stück führen wird. „Gefährliche Liebschaften“, die erste abendfüllende Inszenierung der freien Potsdamer Theatergruppe „bühneohnegrenzen“, geht zurück in die Zeit kurz vor der französischen Revolution. Der Adel langweilt sich und macht sich auf Jagd: auf Menschenjagd. Opfer sind unschuldige junge Leute, die skrupellos unter dem Deckmantel der „Liebe“ zu Fall gebracht werden.

Lena Lessing bringt dieses Stück nach dem Briefroman von Pierre Choderlos de Laclos in der Übersetzung von Alissa und Martin Walser heute auf die Bühne: in der La Manége am Kutschstall. Zwischen Eisenpfeilern und Klavier entspinnt sich das Drama um Sehnsucht, Heimatlosigkeit und die dunklen Gassen der Seele. In die Hauptrolle des schönen unberechenbaren Vicomte de Valmont schlüpft der aus Israel stammende Jaron Löwenberg, der am Mozarteum in Salzburg seine Schauspielausbildung absolvierte und bei den dortigen Festspielen bereits unter Luc Bondy arbeitete. Zwei Jahre war er am Wiener Burgtheater engagiert, kam dann über das Staatstheater Karlsruhe und das „tif“ Dresden nach Berlin. Seit nunmehr acht Jahren stürzt er sich freiberuflich in immer neue künstlerische Abenteuer, wie zuletzt am Brandenburger Theater in „Verrückt auf Italienisch“. Nun bricht er als Valmont in Potsdam unschuldige Frauenherzen, bis er selbst über die Liebe stolpert.

Mit Raffinesse, Manipulation und Erpressung macht er sich seine jungfräulichen Opfer willfährig. Ein Spiel über die Etikette, unter Vorgaukeln wahrer Gefühle. „Die Verbieger wurden selbst in ihrer Kindheit verbogen. Sie sind nicht von Natur aus böse, sondern wurden es aus eigener Verletztheit“, beschreibt Jaron Löwenberg seine vielschichtige Figur, die eine große Entwicklung durchlebt. Denn Valmont verliebt sich schließlich in eine tugendhafte Dritte und will diese Liebe leben, die nicht im Spiel gefangen ist. „Doch er wird dadurch selbst ins Verderben gestürzt.“

Um die Liebe wird bei der heutigen Premiere nicht nur gebuhlt und gebangt, sondern auch gefochten. Draußen im Schnee: gut sichtbar durch die großen Manege-Fenster. Jaron Löwenberg, der lange Zeit Kick-Boxen als Leistungssport betrieb, hat dazu eine eigene Fechtchoreografie entwickelt.

Und auch rund um das Klavier entspinnen sich Szenen in allen Akkorden. Für die Regisseurin Lena Lessing ist das rasant geschriebene Stück durchaus von Aktualität. „Auch heute noch verschlägt es uns die Sprache, wenn wir dem Treiben dieser bestialischen Menschen in wunderschönen Kleidern zuschauen. Es geht um Spiele, die junge Menschen perfide ins Verderben führen. Sie werden am lebendigen Körper seziert.“

Bevor Lena Lessing im vergangenen Jahr gemeinsam mit Schauspielerin Corinna Mann und Autor Oliver Geldener ihre „bühneohnegrenzen“ gründete und mit dem Tschechowschen Einakter „Der Bär“ und einer Weihnachtsfantasie in der Manége ihren Einstand gab, stand sie bereits selbst auf der Bühne. Sie spielte in Film und Fernsehen und zuletzt auch in einer kleinen Kinorolle. „Ich war eine uneinsichtige KZ-Aufseherin in ,Der Vorleser’.“ Danach agierte sie in der preisgekrönten Babelsberg–Produktion „Inglourious Basterds“ von Tarantino als Schauspiel-Coach. Dem Iren Michael Faßbender musste sie so gut deutsch beibringen, dass man ihm den deutschen Offizier abnahm und auch Julie Dreyfus stand sie in Sprache und Spiel zur Seite.

„bühneohnegrenzen“ resultiert aus ihrer eigenen Umtriebigkeit, denn Lena Lessing zieht es immer wieder in die Welt hinaus. Sie inszenierte im Londoner BAC Theater Horvaths „Kasimir und Karoline“, in Oxford Turgenjews „Ein Monat auf dem Lande“. Nun versucht sie mit ihrer Theatergruppe, die ohne Zuschüsse arbeitet und Schauspieler projektbezogen engagiert, Grenzen aufzulösen. „Ich möchte Alt und Jung, Profis und Amateure zusammenführen, Stücke auf die Bühne bringen, in der verschiedene Sprachen gesprochen werden.“ Nichts soll sich festfahren, Risiko sei gewolltes Konzept. Ihre Grenzen sollen auch die Schauspieler in den „Gefährlichen Liebschaften“ virtuos überschreiten, ihre wahren Gefühle durch die Masken aufblitzen lassen. „Das Brodeln muss authentisch sein“, sagt die Regisseurin. Und brodeln soll es kräftig, schließlich ist die Liebe die Medizin, um die Triebe auf Trab zu bringen. Heidi Jäger

Premiere heute um 20 Uhr, weitere Aufführungen am 7., 12., 14., 18., 19. Februar. Eintritt 15 Euro, Karten unter: Tel.: (0331) 95 10 585, Essen und Getränke können dazu bestellt werden

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })