zum Hauptinhalt

Kultur: Am Rande des Lebens

Zum Tode des DEFA-Regisseurs Lothar Warneke Sein Film „Einer trage des anderen Last“ von 1987 hatte große Publikumsresonanz

Stand:

Zum Tode des DEFA-Regisseurs Lothar Warneke Sein Film „Einer trage des anderen Last“ von 1987 hatte große Publikumsresonanz Von Klaus Büstrin „Addio, piccola mia“. In seinem Film über den Medizinstudenten und Dichter Georg Büchner lässt DEFA-Regisseur Lothar Warneke den Hörsaal mit Regiekollegen und Autoren besetzen. Das ist wohl einmalig in der Filmgeschichte, dass siebzehn Regisseure, zum Teil sehr renommierte, sich als „Kleindarsteller“ bei einer Kinofilm- bzw. Fernsehproduktion zur Verfügung stellten. In der zweiten Reihe nahm Warneke auch selbst Platz. Als Filmregisseur stand er in der ersten Reihe. Damals, es war im Jahre 1978, war er bereits einer der meist beschäftigten Künstler in der Babelsberger Produktionsfirma. Nach 1990, als die DEFA-Zeiten sich ihrem Ende nahten, war jedoch kein Platz mehr für Lothar Warneke in den Filmstudios. Drittklassige Drehbücher für Spiel- oder Serienfilme wollte er nicht produzieren. Dafür war er sich zu schade. Zwei Dokumentarfilme drehte er noch, die aber nicht in die Kinos kamen. Er wollte eben weiterhin Filme machen. An der Filmhochschule „Konrad Wolf“ in Babelsberg, an der er in den sechziger Jahren Regie studierte, unterrichtete er von 1995 bis 2000 junge Leute in Regie. Am vergangenen Sonntag ist Lothar Warneke nach schwerer Krankheit in einem Potsdamer Krankenhaus gestorben. 68 Jahre ist der gebürtige Leipziger geworden. Nach der Oberschulzeit wandte er sich zunächst der Theologie zu. Dann wechselte er jedoch ins Filmfach. Die erste Arbeit war bei der DEFA das Lustspiel „Mit mir nicht, Madam!“ im Jahre 1969 (in den Hauptrollen Annekatrin Bürger, Rolf Römer und Manfred Krug), das er gemeinsam mit seinem Freund Roland Oehme als Co-Regisseur drehte. Der Zuschauer würde wohl noch heute sein Vergnügen an dem Streifen haben, der in der Modebranche spielt. Das theologische Wissen war ihm mit Sicherheit eine große Hilfe, als er 1987 den Film „Einer trage des anderen Last“ drehte. In ihm geht es um einen evangelischen Vikar und um einen Offizier der DDR-Volkspolizei, die sich Anfang der fünfziger Jahre in einem Lungensanatorium ein Zimmer teilen müssen. Nach vielen persönlichen und politischen Auseinandersetzungen finden sie zu einer Koexistenz. Und schließlich verzichtet der Vikar auf ein für ein von der Kirche besorgtes Medikament zugunsten des Volkspolizisten. „Einer trage des anderen Last“, der die Beziehungen zwischen DDR-Staat und Kirche verbessern sollte, konnte auf große Publikumsresonanz verweisen. In den von der SED kontrollierten Filmen der DEFA und des Fernsehens sah man bis dahin kaum positive Darstellungen von Christen. Der Film wurde auch ein ganz persönlicher Erfolg für Lothar Warneke und für seine beiden Hauptdarsteller Jörg Pose und Manfred Möck. Auf der Berlinale 1988 gewannen die Schauspieler einen Silbernen Bären. Auch auf anderen Festivals wurde „Einer trage des andern Last“ mit Auszeichnungen bedacht. Von Menschen in Grenzsituationen – in der Nähe zum Tode – erzählt dieser Film. Darin ist er anderen Arbeiten Lothar Warnekes nicht unähnlich. Beispielsweise in „Die Beunruhigung“ mit einer hervorragenden Christine Schorn. Warneke und seine Szenaristin Helga Schubert berichten von einer Frau, die auf das Ergebnis einer Krebsuntersuchung wartet und in dieser Zeit eine Bilanz ihres Lebens zieht. Der Regisseur wollte mit seinem Film beim Zuschauer eine aktive Beunruhigung erreichen: Schaut her, schaut in euch, denkt, prüft, lebt bewusster. Warneke hat keinen Film vorgelegt, der sich an der Oberfläche bewegt. „Dr. med. Sommer II“ drehte Lothar Warneke in den Jahren 1969/70 mit Jutta Hoffmann in einer Hauptrolle. Der Film spielt in einem Krankenhaus irgendwo in der DDR. Unprätentiöse Alltagssituationen werden hier vorgeführt, ohne aufwändige dramatische und deklamatorische Mittel. In diesem Film wie in all seinen anderen Arbeiten hat er die leisen Töne, die ohne Falsch sind, bevorzugt. In „Dr. med. Sommer II“ hat Warneke selbst eine kleine Rolle übernommen, einen Arzt. Selbst vor der Kamera zu stehen, das muss ihm Spaß gemacht haben, wie er es später in dem historischen Film „Addio, piccola mia“ dann noch einmal machte. Die Gegenwart interessierte den Regisseur jedoch mehr als die historische Reflektion. Die ihn umgebende Wirklichkeit und ihre Interpretation hat Lothar Warneke in manch meisterhaften Filmen seinen Zuschauern eindringlich nahe gebracht. Darin wird er unvergesslich bleiben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })