
© dpa
Kultur: Am Wasser entlangschreiben
Der Potsdamer Autor John von Düffel kommt natürlich auch zu „lit:potsdam“
Stand:
Mit einem Schlenker von einem Satz kann John von Düffel große Geschichten entwerfen. Große Schnörkel oder anspruchsvolle Satzgebilde braucht er dafür nicht. Was trifft, ist die Präzison des Potsdamer Autors.
John von Düffel, 1966 in Göttingen geboren, studierte Philosophie, Germanistik und Volkswirtschaftslehre in Schottland und Freiburg. Bevor er später Dramaturg an zahlreichen deutschen Bühnen – unter anderem am Hans Otto Theater und derzeit am Deutschen Theater in Berlin – wurde, promovierte er noch mit einer Arbeit zur Erkenntnistheorie. An der Universität der Künste Berlin ist er Professor für Szenisches Schreiben – wie gut er das selbst beherrscht, zeigt er immer wieder in seinen Büchern, zuletzt in seinem Band „Wassererzählungen“.
Darin nimmt er seinen Leser an die Hand – und führt ihn unerbittlich in die Kälte. Denn „wie kann ein Mensch sterben, ohne zu wissen, wie gnädig die Kälte ist“. Das Leben spüren, das geht gut beim Schwimmen. Zu leben, das geht, wenn man Düffel folgt, überhaupt nur im Kampf mit sich und gegen die Trägheit. Düffel ist ein Radikaler, die Bequemlichkeit, die Angst, den Selbsterhaltungstrieb lässt er nicht gelten, wenn es darum geht, mehr zu spüren. Also rein in die Ostsee, auf der noch eine zarte Eisschicht liegt „wie die Haut über einer erkalteten Milch“. Und er schafft es, aus seiner Geschichte vom Eisbaden eine existenzielle Erzählung zu machen.
In den elf Geschichten aus „Wassererzählungen“ schreibt sich John von Düffel auf seine kühle, präzise Art ganz nah heran an Eltern und Kinder, Menschen und Tiere in einer Welt, in der vieles, was früher galt, fortgespült wurde. Ein Vater muss lernen, dass seine Tochter ihm entwächst, eine Mutter, dass ihr Kind niemals geboren wird. Ein Lehrer erkennt, dass man anderen Menschen nie das vermitteln kann, was man möchte, sondern nur das Unfreiwillige.
Mit dem Schreiben angefangen hat John von Düffel aber schon 1995, „Vom Wasser“ hieß sein Debütroman für den er mit zahlreichen Preisen geehrt wurde. Dann folgten „Zeit des Verschwindens“, „Ego“ und sein Familienroman „Houwelandt“ aus dem Jahr 2004.
Das Wasser taucht als Motiv immer wieder bei ihm auf, und vielleicht ist das nur logisch: Wer in Potsdam lebt wie Düffel kann eigentlich nicht nicht vom Wasser schreiben. Schon gar nicht, wenn man ein leidenschaftlicher Schwimmer und Extremsportler ist wie er. Wasser ist hier in Potsdam allgegenwärtig, nicht auf die aufdringliche Art wie an der See, sondern auf seine ganz wassertypische, alles durchdringende Art.
Wer das weiß, wer Potsdam kennt, der spürt seinen Wohnort durch alle seine Zeilen, auch wenn seine Protagonisten an ganz anderen Orten leben, leiden und lieben. Aber, sagt John von Düffel: „Wir kehren immer zum Wasser zurück.“ Genau das sei deshalb auch der erste Satz gewesen, den er in Prosa geschrieben habe.
Wenn John von Düffel am Sonntag, dem 24. August, zum Literaturfestival „lit:potsdam“ kommt, liest er natürlich auch in der Nähe des Wassers – aber nicht aus den „Wassererzählungen“, sondern aus „Über Lebensstrategien“. Die Veranstaltung in der Waschhausarena beginnt um 15.30 Uhr, John von Düffel liest dort zusammen mit seinen beiden Kollegen Marion Brasch und Jens Sparschuh – und anschließend wird debattiert. Damit das nicht ausufert, moderiert Christine Thalmann vom RBB. Ariane Lemme
An dieser Stelle stellen wir bis zum Beginn von lit:potsdam am 22. August täglich einen der teilnehmenden Autoren vor
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: