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Kultur: Angst vor Pressefreiheit?

Film und Diskussion: „Russische Treibjagd“

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Film und Diskussion: „Russische Treibjagd“ Eine Journalistin, die wegen ihrer Recherchen und deren Veröffentlichung verurteilt wird. Eine großstädtische Zeitungsredaktion, in der alle die Köpfe senken und niemand wagt, sich für die Kollegin einzusetzen. Gewalttätige Verhaftungen auf offener Straße, fragwürdige Gerichtsprozesse. Solche Vorgänge sind in Russland nicht ungewöhnlich. Die Potsdamer Gruppe von amnesty international (ai) lud zu Dokumentarfilm und Diskussion ins Filmmuseum: „Zur Lage der Meinungsfreiheit in Russland“. Angekündigt war die russische Journalistin Olga Kitowa, die noch bis September als Stipendiatin der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte in Deutschland lebt. Doch Krankheit machte das Kommen kurzfristig unmöglich. Zugegen war jedoch Peter Franck von ai in Berlin, der bereits mehrere Veranstaltungen mit Olga Kitowa durchgeführt hatte und in der Diskussion demm Publikum Fragen beantworten und Auskunft über die russischen Verhältnisse geben konnte. Die über fünfzigjährige Olga Kitowa war jedoch auf der Leinwand anwesend in dem Dokumentarfilm „Russische Treibjagd - Das Ende einer Reporterin“ (Regie: Udo Lielischkies. Produktion: WDR 2002). Die Dreharbeiten begannen kurz nach der ersten Verhaftung im März 2001 in ihrer Heimatstadt Belgorod. Dort war Olga Kitowa eine unbequeme Person. Sie deckte auf, dass das Geld der Stadt nicht der Allgemeinheit, sondern der politischen Oberschicht zufließt. Wegen „Verbreitung von Lügen in den Massenmedien“ und angeblicher Gewalt gegen die Miliz wurde Olga Kitowa angeklagt und schließlich zu zweieinhalb Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Ist Russland wieder dort, wo es zu Sowjetzeiten war? Dem widersprach Peter Franck: „Wir haben viel mehr Einflussmöglichkeiten als früher“. Russische Menschenrechtsorganisationen sind mit internationalen Organisationen vernetzt, Missstände werden schnell bekannt. Man kann nach Russland fahren, sich mit den Leuten treffen. Durch Briefe aus dem Ausland lassen sich Haftbedingungen für die Adressaten verbessern, deren Ansehen steigt, wenn sie im Ausland bekannt sind. Und so bedenklich die Pressefreiheit in Russland sein mag, es gebe keine zentrale Zensurbehörde, sagte Peter Franck. Kritik werde nicht generell unterdrückt. Olga Kitowa, die u. a. von ai und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa unterstützt wurde, ist es letzten Herbst gelungen, in Moskau von allen Anklagepunkten freigesprochen zu werden. Trotzdem steht Russland in der Welt an 140. Stelle, was die Gefährdung von Journalisten angeht, es gibt immer wieder Todesfälle. Warum gibt es keinen massenhaften Aufschrei für Pressefreiheit in der Bevölkerung und warum fordern selbst Journalisten eine gewisse Zensur? Franck erklärte das mit den schlechten Erfahrungen, welche die Menschen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit der freien Presse gemacht hatten. Jeder konnte schreiben was er wollte, keine Instanz bot Schutz vor Verleumdungen. Dies habe zu einem Misstrauen gegenüber den Medien geführt. Wenn ausländische Zeitungen kritisch berichten, fragen sich die Leute in Russland, wo es keine Tradition unabhängiger Presse gibt, von wem sie wohl bezahlt werden. Auch kommt aus dem Westen viel unreglementierter Schund, der die russischen Märkte überschwemmt. So liefert Russland ein vielschichtiges Bild, das zwar kein einfaches Urteil über die Meinungsfreiheit zulässt, in vielen Fällen jedoch schockiert und wie eine stetige Rückentwicklung erscheint.Dagmar Schnürer

Dagmar Schnürer

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