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Johannes Sandner inmitten der Seniorenkantorei.

© Manfred Thomas

Kultur: Anspruchsvoll auch im Alter singen

Seniorenkantorei an der Erlöserkirche

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Er könnte ihr Enkel sein, der zwanzigjährige Johannes Sandner. Und doch lassen sie, so scheint es jedenfalls, sich gern von ihm dirigieren. Gut vierzig bis fünfzig Jahre Altersunterschied besteht zwischen den Sängerinnen und Sängern und dem blutjungen Dirigenten. An jedem Montagnachmittag kommen die rund 40 Sangesfreudigen in den Saal der Erlösergemeinde um zu singen. Seit Anfang Mai.

Der Verein Musik an der Erlöserkirche und sein künstlerischer Leiter, der Dirigent Ud Joffe, hatten die Idee, musikalische Menschen,die im Rentenalter sind, über gut gebildete Stimmen verfügen, in einem Chor zusammenzubringen: in einer Seniorenkantorei. Die Meisten bringen jahrzehntelange sängerische Erfahrungen mit. Sie können vom Blatt singen und sind gewohnt, anspruchsvolle Literatur zu bewältigen. Viele von ihnen sangen in den großen Chören Potsdams, im Oratorienchor, in der Singakademie oder in der Potsdamer Kantorei. Und mit 60 bzw. 65 Jahren mussten sie aufhören, weil die Chorsatzungen es so vorschreiben. Dabei haben sie noch viel stimmliche Kraft. Und in Sachen Intonation müssen schließlich auch junge Leute fleißig arbeiten. Jedenfalls hörte man bei der Probe am vergangenen Montag einen Chorklang mit einer wunderbaren Homogenität. Er wirkte in keinem Augenblick verwaschen und war ganz und gar präsent.

Man hatte den Eindruck, die Damen und Herren singen schon seit Jahr und Tag gemeinsam. Vier Choräle, unter anderem von Johann Sebastian Bach und Johann Staden, werden derzeit intensiv geprobt, denn am 21. Juni will sich die Seniorenkantorei im Gottesdienst in der Erlöserkirche musikalisch vorstellen.

Johannes Sandner, der eine ganz wunderbar natürliche Autorität besitzt, unterbricht hin und wieder das Singen, um hier und da zu feilen, am Klang oder an der Dynamik. Und alle sind aufmerksam, machen rege mit. Der Chorleiter weiß auch, dass seine Sängerinnen und Sänger ihn sicherlich kritisch unter die Lupe nehmen, denn schließlich haben sie unter solch gestandenen Dirigenten wie Matthias Jacob oder Ud Joffe große kirchenmusikalische Werke zur Aufführung gebracht.

Für den Niemegker Pfarrerssohn Johannes Sandner ist die Probenarbeit eine gute Schule für den Beruf, den er anstrebt. Er möchte Kirchenmusik studieren. Dafür laufen zur Zeit die Aufnahmeprüfungen an der Universität der Künste in Berlin. Ja, ganz in der Nähe will er sein Studium aufnehmen, um die Arbeit mit der Seniorenkantorei weiterführen zu können. Entscheidende Impulse hat Johannes Sandner im Evangelischen Gymnasium auf Hermannswerder von dem Musiklehrer und Kantor Dietrich Schönherr empfangen. Bei ihm nahm er Orgelunterricht. Die „Königin der Instrumente“ wurde seine musikalische Leidenschaft. Mit ihr konnte er sogar bei „Jugend musiziert“ Preise einheimsen. Inzwischen ist er an Sonntagvormittagen unterwegs, um in Gottesdiensten in Langerwisch oder in Caputh die Orgel zu spielen. Auch das ist ein gute Schule für seinen künftigen Beruf. Und die Gemeinden sind ihm sehr dankbar, weil gute Organisten auf dem Land immer rarer werden.

Aber nun möchte Johannes Sandner unbedingt mit Chören arbeiten. Er ist Ud Joffe sehr dankbar, dass er ihm die Leitung der Seniorenkantorei übertrug, die jeden Montag von 17 bis 18.30 Uhr probt. Auch mit der Potsdamer Kantorei hat er bereits kleine Motetten erarbeitet und in Gottesdiensten dirigiert. Dies hat Joffe sehr überzeugt. Und mit der soeben gegründeten neuen Chorformation sollen ausschließlich A-cappella-Werke musiziert werden, in Gottesdiensten und vielleicht auch in Konzerten.

Aber vor allem, Singen soll auch im Rentenalter Spaß machen. Doch nicht nur an die soziale Funktion haben die Initiatoren der Senorenkantorei gedacht, sondern auch daran, dass man im Alter sehr wohl Anspruchsvolles anspruchsvoll singen kann. Klaus Büstrin

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