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Kultur: Architektur formt Lebensweisen

Neun Künstler mit Architekturaufnahmen in einer BVBK-Ausstellung im „Güldenen Arm“

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Von allen Künsten erschafft die Baukunst die größten Werke. So groß, dass man in ihnen leben kann. Keine andere Kunstform besitzt deshalb eine solche Macht. Architektur verändert, indem sie Lebensweisen formt.

Die Fotografie, die sich mit der Aufnahme von Bauwerken beschäftigt, hat es nur vordergründig einfach. Mauern und Dächer mögen tot und unbeweglich sein – sie flüchten nicht –, und dennoch konkretisieren sie alle Möglichkeiten der Bewegung. Das Gesellschaftliche ist so in Architekturaufnahmen immer präsent. Das macht sie spannend. Neun Künstler, nicht alle Mitglieder im ausrichtenden Brandenburgischen Verbandes bildender Künstler (BVBK) – einige davon hochbegabte Autodidakten – zeigen derzeit in den Ausstellungsräumen des Fachwerkhauses in der Hermann-Elflein-Straße 3 ihr Bild der Architektur des Landes. Zugleich übermitteln sie immer ihren Kommentar zur baulichen Verfasstheit der Gemeinschaft, auch wenn Menschen auf den Bildern fehlen. In Format, Technik und Herangehensweise der Künstler offenbart sich die enorme Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums.

Harald Hirsch präsentiert neben makellosen Hochglanzbildern der hiesigen Stahl- und Glasarchitektur auch die baulichen Wunden Potsdams. Durch das Abfotografieren von Polaroids in seiner Serie „Bildräume“ entsteht ein faszinierendes, nostalgisches Licht. In ihm werden die städtischen Schmuddelecken zu von Graffiti chiffrierten urbanen Raum-Collagen.

Peter Frenkel nutzt in der eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Serie „Zeitenwende – Wendezeit“ die starke Körnigkeit seines Filmmaterials und die Simplizität eines alten Druckers, um die schier unendliche Baugeschichte des Potsdamer Theaters fest zu halten. So zieht er eine Linie vom Abriss des DDR-Beton-Fragments zu den schattenhaften Würfeln des Blechprovisoriums am Alten Markt bis zu den höhlenartigen Betonparavents des jetzigen Neubaus am Tiefen See. Zerklüftet, eckig, gerundet, eine angemessene Form konnte Frenkel trotz Suche in allem nicht finden.

Manfred Kriegelstein lässt die verlassenen Räume der Beelitzer Heilstätten ihre Geschichte wie nach einem Ekzem in Schuppen von den Wänden abblättern. In der Serie „Ästhetik der Vergänglichkeit“, wunderbar stille Gegenlichtaufnahmen, geben ehemals erhabene Räume ihren Schmerz preis, behalten aber ihre Würde.

Den kältesten Blick auf seine Objekte besitzt Michael Lüder, der mit seinen stattlichen Schwarz-Weiß-Abzügen der Glienicker Brücke, des Einsteinturms und des Berliner Holocaust-Denkmals ganz bewusst auch im Arrangement seiner Bilder Korrespondenzen setzt. Dem Einsteinturm an der Stirnseite – dem exotischen Exempel aus der kurzen Epoche des architektonischen Expressionismus“ – wird durch diese Anordnung eine baugeschichtliche Mittlerfunktion zwischen verspielter Historie und brutalklarer Moderne zugewiesen. Auf Lüders Bild scheint das markante Gebäude auf dem Telegrafenberg wie eine Synthese aus gleichzeitig Gebogenem und ins Unendliche parallel Laufendem. Schatten und Licht in einem. Auch eine mögliche soziale Vision.

Heike Isenmann erhöht ironisch mit ihren goldgerahmten Panoramaaufnahmen die Stadtansicht zum Wohnzimmerbild über der Couch. Der weite Blick, größer als das menschliche Gesichtsfeld, wieder eingegrenzt durch zuviel Spießigkeit.

Die Computerbearbeitungen von Michael H. Rohde verwandeln öde Vorstadthäuser in poppige Kunstgebilde, denen ohne Himmel und störende Nachbarn das Bedrückende entfernt wurde.

Uwe Paul Schulze fängt mit einem Spezialfilm die unsichtbaren Infrarotstrahlen auf, in denen Wolken und Laubkronen plötzlich stark aus den Bildern wuchern. Nicht der Stein, so scheint es, ist der Herrscher, sondern doch die Natur.

Petra Walter-Moll sucht nach einem Durchblick auf die Gesellschaft, in dem sie Fassaden in Sizilien und Kanada betrachtet hat. Und Marianne Gielen hat aus den klaren Formen der Architektur durch Doppelbelichtungen, einmal hochkant und einmal quer, ein subjektives Ineinanderbrechen der Linien provoziert. Die berühmten Postkartenansichten von Potsdam und Berlin verwandeln sich auf diese Weise in einen einzigen Linienbrei. Der Fotograf und Betrachter holt sich so das geschundene Motiv zurück und macht es sich wieder zu eigen.

Architektur Fotografie aus dem Land Brandenburg, Im Güldenen Arm, Hermann-Elflein-Straße 3, bis 2. Juli 2006.

Matthias Hassenpflug

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