Kultur: Auch Bewegung im Musiktheater? HOT ist weiter unterwegs: nun im Palais Lichtenau
Das Theater bewegt die Potsdamer. Nicht nur aufgrund der verschiedenen Spielorte müssen sich die Zuschauer mobil zeigen, auch der Premierenmarathon verlangt Energie, will man nichts verpassen.
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Das Theater bewegt die Potsdamer. Nicht nur aufgrund der verschiedenen Spielorte müssen sich die Zuschauer mobil zeigen, auch der Premierenmarathon verlangt Energie, will man nichts verpassen. Und nicht zuletzt befördern die vielen unterschiedlichsten Angebote natürlich auch geistige Dynamik. Mit „Sieben auf einem Streich“ zog die neue Theaterleitung Ende Oktober in die Stadt ein – und zog gestern auf einer Pressekonferenz erfolgreiches Fazit. Stücke wie „Krieg und Frieden“ und die Operette „Orpheus in der Unterwelt“ seien lange im Voraus ausverkauft. Auch „Die Winterreise“ und das Weihnachtsmärchen „Die Schöne und das Biest“ seien sehr gefragt. Die rund 7000 Zuschauer im November entsprächen in etwa denen des Vorjahresmonats – was bei kleineren Aufführungsorten durchaus positiv vermerkt werden könne, so Intendant Uwe Eric Laufenberg. „Ich bin jedenfalls damit zufrieden, dass wir keinen Zuschauer verlieren. Schließlich ist ein Neuanfang immer auch eine Setzung und eine Findung. Bis zur Eröffnung des neuen Hauses im Herbst 2006 müssen wir natürlich die Zahlen steigern. Aber dafür haben wir zwei Jahre Zeit.“ Bis dahin hoffe er auch auf Pilgerer aus dem Einzugsgebiet. „Man redet da zwar schon viel, dass es in Potsdam ein Theater gibt, aber zu einem Sog führte dies bislang noch nicht.“ Für die nächste Premiere dürfte er auf die „Auswärtigen“ allerdings weniger angewiesen sein. Schon die Potsdamer müssen sich beeilen, um einen der wenigen Plätze zu erhaschen. Denn gespielt wird im denkmalgeschützten Palais Lichtenau in der Behlertstraße, das Friedrich Wilhelm II. einst für seine Mätresse, die Gräfin Lichtenau, erbauen ließ. Auch bei diesem Projekt könnte man meinen, dass das Theater Bewegung provoziere – sogar im Immobiliengeschäft. Denn schließlich sollte die Fontane-Dramatisierung von „Frau Jenny Treibel“ anfänglich in der Villa Kampffmeyer aufgeführt werden. Doch diese wurde just verkauft, als die Villenfassung geschrieben war. Also schwenkte man auf das Lichtenau-Palais um: wiederum mit neuer Spielfassung. Und jetzt rege sich auch hier Käuferinteresse, so Laufenberg. Da die Premiere aber bereits für den 14. Januar ins Haus steht und auch nur acht Vorstellungen geplant sind, dürfte das Theaterprojekt schneller abgewickelt sein als mögliche Kaufgeschäfte. Auch Interessenten für diese Inszenierung – mit Katharina Thalbach in der Hauptrolle – sollten sich mit Voranmeldungen (Karten 25 Euro) sputen, denn es haben nur 81 Zuschauer in der Villa Platz. Danach geht es allerdings mit einer etwas anderen Fassung, aber in gleicher Besetzung ab 28. Januar in der Reithalle A weiter. Der Charme des von Bouman und Langhans 1797 erbauten Liebesnestes, das durch den baldigen Tod des Königs keine Erfüllung fand, spricht indes für sich. Das Publikum kann dort eine festliche Abendgesellschaft erleben. Geladen wird exklusiv in den Speisesaal. Anschließend geraten die Zuschauer auch hier in Bewegung: Verteilt geht es in das Musik- und Gartenzimmer, bevor man sich am Ende wieder an der Tafel vereint. Uwe Eric Laufenberg, der dieses „Musterstück von einer Bourgeoise“ inszeniert, zieht den inhaltlichen Bogen zu weiteren der noch elf geplanten Neuinszenierungen dieser Spielzeit. Während sich die Treibel über Geld definiere, wagten die sieben nach historischen Vorlagen gezeichneten Figuren in dem Gesellschaftspanorama „Himmelsleiter“ von Ulrich Zaum einen radikalen Aufbruch der Ideen. Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ erzähle wiederum, wo diese Utopien landen können: Dort regiert erneut das Geld. Uraufführungen wie „Himmelsleiter“ (Premiere im März ) seien auch immer Risiken, so der Intendant. „Aber das Thema Utopien ist da – gerade in Potsdam, wo es in zwei Richtungen viel Konservatismus gibt: in der PDS und der CDU. Aber beide reden nicht miteinander. Wir müssen uns aber der Frage stellen, wo wir hinsteuern. Dafür bekommen wir unsere Subventionen.“ Besser als mit Neuem punkte man beim Publikum natürlich mit Bekanntem, sei es mit Namen, Titeln oder Orte. Das Unterwegs sein auch im Sinne des Theaterverbundes birge hingegen Risiken. „,Die Winterreise“ sahen im Brandenburger Theater (BT) ganze 31 Zuschauer, ähnlich war es bei ,Bedeutende Leute“ in Frankfurt. ,Herz schlägt Tod“ mit Katja Riemann sorgte indes in der Oderstadt für zwei ausverkaufte Vorstellungen.“ Gerade hinsichtlich des Musiktheaters habe der Verbund seine Tücken. Der Geschäftsführer des BT, Christian Kneisel, schreibe ihm schon böse Briefe, da laut Vertrag dessen Haus fürs Musiktheater zuständig sei. „Doch das BT hat dafür gar nicht die Infrastruktur.“ Deshalb fuhr Laufenberg die Musiktheaterstrecke trotz Etatkürzung mit großem Kraftakt auf Sparflamme weiter. Selbst Johannes Heesters fühlte sich angesprochen und hilft mit seiner Benefizgala zu Silvester (Karten noch zu haben) dem Potsdamer Musiktheater. Das scheint mit „Die sieben Todsünden“ (Premiere 11. Februar) zu seinem letzten Akt anzutreten. Oder doch nicht? „Wenn man den positiven Signalen trauen kann, könnte es im Mozart-Jahr neben ,Amadeus“ auch die Oper ,Titus“ geben. Es ist Bewegung im politischen Raum, aber wir wollen die Fahnen noch nicht zu hoch hissen.“ Der Abgesang der Blechbüchse ist hingegen beschlossene Sache. „Sie sollte 2006 ihre Arbeit getan haben.“ Die „Dreigroschenoper“ sei zum Abschluss angedacht und vielleicht noch eine Performance, mit der man sie theaterwirksam zersägen kann. Bislang sei dafür Johann Kresnik im Gespräch gewesen, „aber ich glaube, wir brauchen diese Mittel eher für die Eröffnung unseres neuen Hauses. Vielleicht könnten wir stattdessen die Fußball-Weltmeisterschaft auch im Theater in Szene setzen.“ Alles ist noch in Bewegung – das Theater „unterwegs“ .Heidi Jäger
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