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Kultur: Auch für „Außenseiter“

First Act: Im Kabarett am Obelisk wird im September eine Musical-Schule eröffnet

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Noch ist es ein Luftschloss. Doch in ihrer Fantasie ist es bereits gefüllt: Mit Kindern vom Schlaatz ebenso wie aus der Berliner Vorstadt, mit „Außenseitern“ und „Leithammeln“, quirligen und schüchternen jungen Leuten. Sie alle kommen ab September in die Musical-Schule und freunden sich über die gemeinsame Lust an Musik, Gesang und Tanz miteinander an. So jedenfalls ist die Hoffnung von Britta Gehlfuß und Claudio Bueno.

Das erfolgreiche Projekt „Rhythm is it“ der Berliner Philharmoniker unter Leitung von Sir Simon Rattle vor vier Jahren verlieh auch der Sozialpädagogin Britta Gehlfuß Flügel. Fasziniert von der Möglichkeit, über Tanz auch Kindern aus schwachen sozialen Schichten ihre Stärken zu vermitteln, hing sie ihren Job als Lehrausbilderin an den Haken. Raus aus festen Strukturen, wo Vorschriften mehr einengen als befreien. Sie ließ sich stattdessen auf ein Wagnis ein: auf die Gründung der privaten Musical-Schule „First Act“, die am 13. September im Kabarett am Obelisk eröffnet und neben den Satirikern dort Heimstatt findet.

Der „Schlossherr“ an ihrer Seite ist Claudio Bueno, Tänzer und Regisseur aus Brasilien, seit vielen Jahren mit der Berlinerin befreundet und ein Mann, der das Kind in der Tasche nicht verloren hat. Er stand zehn Jahre auf der Bühne des Theater des Westens und tanzte sich quer durch die Literatur des Musicals, von „Chicago“ bis „Cabaret“. Er erspielte sich am Theater sein Leben und spürte, wie man sich entfalten kann, wenn man seinen Träumen folgt. „Als Kind war ich sehr scheu. Ich saß immer in der Ecke und zeichnete. Das konnte ich sehr gut. Klassenkameraden fragten mich schließlich, ob ich eine Zeichnung für sie machen würde. Dadurch fand ich allmählich Freunde.“ Aber erst durch das Theater und später durch den Tanz fühlte er sich richtig komplett, konnte er ausdrücken, was ihn bewegte.

Die Liebe verschlug ihn schließlich nach Deutschland. „An einem Frühlingstag in Paris fand ich mein großes Glück, und wir sind nach 28 Jahren immer noch zusammen“, erzählt er strahlend. Gemeinsam wurde das Paar ans Berliner Theater geholt. Sprachbarrieren übertanzten sie.

„2001 choreografierte ich mein erstes Stück“, erzählt der heute 51-Jährige. „Inzwischen habe ich sehr viel inszeniert, vor allem in der Provinz. Dort ist es ruhiger und die Neugierde größer.“ Allein „Cabaret“ brachte er drei Mal zur Premiere: „Die letzte war im Juni in Coburg. Es war die kleinste und die gelungenste Aufführung.“

Der lebenssprühende Mann war am Volkstheater Rostock auch schon mal „gezwungen“, für „Anna und der König von Siam“ mit 30 Kindern zu arbeiten. „Darunter war ein total hippeliger Junge, der immer mit seinem Ball spielte und sich nicht konzentrieren konnte. Dem gab ich eine Hauptrolle. Er ist durch die Arbeit viel ruhiger geworden. Am Ende hatte ich sie alle lieb gewonnen. Man muss Kindern einfach auf Augenhöhe begegnen.“

Da ist er sich mit Britta Gehlfuß einig. Beiden geht es in ihrer Musical-Schule nicht vorrangig darum, Kinder zu professionellen Tänzern auszubilden, sondern ihnen das Rückgrat zu stärken. „Viele haben Hemmungen, sich im Unterricht zu melden und sich in der Gruppe durchzusetzen. Auch die eigene Grenzen zu erkennen und zu setzen, fällt ihnen schwer.“ Deshalb baue ihre Ausbildung auf Teamarbeit: „Über das Spielen werden wir versuchen, die Kinder zu öffnen. Und aus Schwächen können schließlich auch Stärken werden.“

Britta Gehlfuß sieht an ihrer 14-jährigen Tochter Zoe, was künstlerische Arbeit freizusetzen vermag: „Sie kommt immer fröhlich-singend von der Theaterschule. Über Theater und Tanz lernen die Kinder auch, sich im Raum zu bewegen, sich zu präsentieren. Dinge, die wichtig sind im Leben, aber in der Schule oft nicht vermittelt werden.“

36 Wochen umfasst bei First Act das Ausbildungsjahr. Der Unterricht ab sechs Jahren findet an den Samstagvormittagen statt und ist in drei Altersgruppen – je nach individueller Entwicklung – unterteilt. „Die Stunden kosten nicht mehr als ein Babysitter“, fügt Claudio lächelnd hinzu, ohne präziser werden zu wollen, zumal bei Bedarf Sonderkonditionen eingeräumt werden. Die Zwei haben sich Lehrer an die Seite geholt, die die pädagogische Erfahrung haben, mit jungen Menschen künstlerisch zu arbeiten. Tobias Schulze unterrichtet Schauspiel, die Brasilianerin Anna Maria Lima Tanz und der Amerikaner F. Dion Davis Gesang. „Wir wollen es weltoffen haben.“ Noch wissen die „Schulleiter“ nicht, welchen Stoff sie als erstes auf die Bühne bringen werden. „Wir müssen erst mal sehen, welche Möglichkeiten wir mit den Kids haben. Aber es gibt so viele Sachen: von den Beatles über Cole Porter bis Friedrich Hollaender“, so Claudio Bueno.

Ihm gehe es gerade ein bisschen wie vor der Premiere: „Immer wenn es ernst wird, fange ich an zu leiden.“ Als er das sagt, kommt prompt ein Anruf von dem bekannten Schauspieler Thomas Heinze. Er bietet sich an, die Schirmherrschaft über die Musical-Schule zu übernehmen. „Wenn nun noch die Kinder kommen, wird“s gut“, spricht sich Claudio selber Mut zu und hofft, dass das „Luftschloss“ bald ein sicheres Fundament bekommt. „Ich habe sehr viele Ideen, aber ich fliege“, sagt der Tänzer. Und Britta Gehlfuß erwidert: „Und ich fange ihn immer wieder ein.“

Informationstag am 6. September, 10 Uhr, im Kabarett am Obelisk. Infos unter 030-8185190. Der Unterricht findet ab 13. September, 10 bis 13 Uhr statt.

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