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Bundeskanzler Olaf Scholz zu Besuch im Theodor-Fontane-Archiv.

© Ottmar Winter PNN / Ottmar Winter PNN

„Auch so eine unleserliche Handschrift“: Olaf Scholz zu Besuch im Potsdamer Fontane-Archiv

Wie der Kanzler in Potsdam ein Fontane-Manuskript zu „sozialdemokratischer Modernität“ beschaut und es darum aber nicht geht. Ein Ortstermin.

Theodor Fontanes letzter Roman blieb unvollendet. „Die Likedeeler“ hieß er, erst 1938 wurden die Fragmente aus dem Nachlass veröffentlicht. Fontane selbst soll ihn als Verbindung aus „mittelalterlicher Seeromantik“ und „sozialdemokratischer Modernität“ bezeichnet haben. Die Originale liegen im Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv, und eine der Seiten hatte Peer Trilcke, Leiter des Archivs, auserkoren, um sie am Freitag (3.2.) dem ranghöchsten Sozialdemokraten im Lande zu zeigen: Olaf Scholz kam zu Besuch. Nicht als Kanzler freilich, sondern als Gewählter des Wahlkreises 61.

Als Kanzler geht es bei Scholz um große Entscheidungen. Kampfjets für die Ukraine: Ja oder nein? Einem Kabinettsmitglied beim Vorstoß, lieber Ministerpräsidentin als Ministerin zu sein, den Rücken stärken, oder nicht? Das ist die große Welt. Als Wahlkreisgewinner der SPD aber steht er im Lesesaal der Villa Quandt, findet freundlich unverbindliche Worte („Auch so eine unleserliche Handschrift“) und bestaunt nicht nur Manuskripte des „Stechlin“ und der „Likedeeler“, sondern auch ein Kassenbuch Fontanes, das Archivleiter Trilcke ihm in Reminiszenz an seine Zeit als Finanzminister herausgesucht hat. Auf die Anmerkung, dass Literatur Geld brauche, damals wie heute, geht Scholz nicht näher ein.

Steilvorlage Sozialdemokraten? Fehlanzeige

Auch auf die Steilvorlage mit den Sozialdemokraten nur bedingt. Kurz lässt Scholz den Kanzler zu und spricht von „Zeiten des Umbruchs, damals und heute“. In den 1890ern, zur Zeit des „Stechlin“, waren die Umbrüche grundsätzlicher Natur: Die Monarchie lag in den letzten Zügen, die Demokratie war auf dem Vormarsch. Fontane selbst stand dazwischen: zeitweise erzkonservativ, aber auch Unterzeichner gegen die „Umsturzvorlage“, mit der Sozialdemokraten gedeckelt werden sollten. Darüber hätte man reden können. Und war nicht Fontane auch selbst als Kriegsberichterstatter unterwegs, in Frankreich?

All das ist natürlich zu viel Stoff für 15 Minuten. Das politisch brisantere Gespräch dürfte ohnehin im Literaturbüro stattgefunden haben, was Scholz zuvor ohne die Presse besucht hatte – ebenso wie das Einstein-Forum. Scholz sei auf das Brandenburgische Literaturbüro durch einen Zeitungsartikel aufmerksam geworden, berichtet Peter Walther aus der Leitung: Er selbst hatte im Sommer 2022 über die Kriegseuphorie deutscher Intellektueller im Jahr 1914 geschrieben.

Der Kanzler sei nahbar und sehr geschichtsinteressiert gewesen. Auf die Frage vor der Presse, wie weit die SPD heute von den Anfängen der Fontane-Zeit entfernt sei, wollte er hingegen nicht eingehen. Stattdessen ein Gruppenfoto. Und im Gästebuch der Eintrag: „Zeiten des Umbruchs haben wir heute wieder. Auch ein Archiv bleibt aktuell, dieses erst recht.“

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