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Bilder eines Sommers. Menschen in Aufruhr in Kairo.

©  Tobias Kruse/Ostkreuz

Kultur: „Auf dem Tahrir-Platz kamen mir die Tränen“ Der Fotograf Tobias Kruse zeigt in der Reihe

„Red Wall“ seine Bilder vom arabischen Frühling

Stand:

Herr Kruse, Sie waren im Sommer 2011 in Ägypten, mitten in einer gesellschaftlichen Umbruchphase, die vom ägyptischen Volk selbst ausging. Bereitet Ihnen das, was jetzt in Ägypten passiert – also die Proteste gegen die Politik des neuen ägyptischen Machthabers – , eigentlich Sorgen?

Ja, klar. Aber man muss auch erwähnen, dass die Lage in Ägypten seit dem letzen Jahr nie besonders ruhig war, da flackert immer wieder etwas auf. Von daher bin ich nicht überrascht. Mittlerweile sind die Lager auch relativ klar, das war damals noch nicht ganz so übersichtlich.

War der einwöchige Kairo-Trip gemeinsam mit dem Journalisten Fritz Schaap etwas, was Sie unbedingt machen wollten?

Nicht unbedingt, es war ein Auftrag. Ich war die letzten Jahre regelmäßig in Israel unterwegs, wo ich mich mittlerweile auch gut auskenne. In Ägypten war ich allerdings noch nie. Was wir dort aber gesehen haben, war absolut beeindruckend.

Aber nicht auch gefährlich?

Das war es vorher, wurde es auch später wieder, als wir schon abgereist waren. Da wurden dann Menschen von Panzern überrollt. Das war schon ein komisches Gefühl, wenn man die Berichte darüber gesehen hat. Was wir dort erlebten, war eher eine riesige Euphorie, ganz viele junge Menschen auf der Straße, so ungefähr muss es 1989 in Berlin gewesen sein. Ich war auf dem Tahrir-Platz in Kairo, auf einer Bühne, und mir kamen die Tränen, weil so viel Hoffnung in der Luft lag.

Wie haben Sie beide vor Ort geplant, haben Sie sich einfach von der Revolution treiben lassen?

Wir hatten schon ein paar Kontakte, meist mit jungen Revolutionären, aber Termine zu machen war in Kairo so eine Sache: Bullenhitze, Dreck, laut, und die Stadt war voll – man hatte kaum eine Chance, einen Termin zu machen geschweige denn pünktlich anzukommen. Aber rund um den Tahrir-Platz war auch genug los.

Und mit der Verständigung gab es keine Probleme?

Erstaunlicherweise kaum, Englisch funktioniert ganz gut. Ein großer Teil der jungen, liberalen Leute sind koptische Christen, da haben viele im Ausland studiert oder dort Verwandtschaft. Die Älteren sprechen kaum Englisch, mein Kollege Fritz allerdings ganz gut Arabisch.

Also alles ohne größere Probleme?

Naja, es war schon immer etwas brenzlig, das spürte man schon. Wir haben auch einen Tag im ägyptischen Militärgefängnis verbringen müssen.

Im Militärgefängnis?

Das war eine ziemlich blöde Verkettung von Umständen, man hielt uns jedenfalls für israelische Spione. Aber die Botschaft hat uns Gott sei Dank schnell wieder da rausgeholt.

Sie sind mit Ihrer Ausstellung „Hello Revolution!“ ab dem morgigen Donnerstag in der Reihe „Red Wall“ im Waschhaus zu sehen. Wie arbeiten Sie eigentlich fototechnisch?

Ziemlich alte Schule, würde ich sagen. Ich arbeite fast ausschließlich analog und auf Mittelformat, meine digitale Kamera habe ich neulich gerade verkauft.

Stehen Sie da auch bei Ihnen zu Hause im Keller und entwickeln Ihre Fotos selbst?

Nein, auf keinen Fall, die lasse ich machen. Schwarz-Weiß-Fotos kann man vielleicht noch selbst entwickeln, Farbe kann aber wahnsinnig gemein sein. Da lasse ich lieber Maschinen ran.

Die Red-Wall-Ausstellung ist aber nicht Ihre einzige derzeit.

Nein, zurzeit läuft noch eine Ausstellung im Berliner Haus der Kulturen der Welt namens „Über Grenzen“, gemeinsam mit den anderen Fotografen der Foto-Agentur „Ostkreuz“. Ich habe da unter anderem palästinensische Homosexuelle porträtiert, die von ihrer eigenen Familie verfolgt werden und nach Tel Aviv geflüchtet sind. Da sammelt sich die Stricher- und Drogenszene am Alten Busbahnhof. Das sind schlimme Zustände. Juden, Christen und Araber vereint, aber leider im Elend.

Das Gespräch führte Oliver Dietrich

Die Ausstellung „Hello Revolution!“ in der Reihen „Red Wall“ wird am morgigen Donnerstag, 19 Uhr, im Waschhaus in der Schiffbauergasse eröffnet. Der Eintritt ist frei

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