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Von Heidi Jäger: Auf der Lauer

„Neues aus dem Atelier Eichgrün“: Das Potsdam-Museum zeigt Fotografien aus den Jahren 1890 bis 1957

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Hoffotograf des Hauses Hohenzollern wurde er nicht. Diese Ehre verwehrte ihm das Kaiserhaus. Das spornte Ernst Eichgrün offensichtlich noch mehr an, „Ihre Durchlauchten“ vor die Kamera zu kriegen. Sobald er „blaues Blut“ witterte, eilte er flugs mit seinem Equipment vor die Tür, um nach dem Aufbau der schweren Technik noch einen „Schnappschuss“ zu ergattern. Vom Balkon seines Fotoateliers im sogenannten „Säulenhaus“ am Wilhelmplatz hatte er einen trefflichen Blick über höfische Ausflüge zu Pferd oder Wagen. Der Beflissenheit Ernst Eichgrüns (1858 bis 1925) ist es mit zu verdanken, dass das alte Potsdam nicht nur in seiner baulichen Verfassung, sondern auch in seinem gesellschaftlichen Leben ein Stück weit überliefert ist.

Tag genau zu seinem 150. Geburtstag eröffnete gestern das Potsdam-Museum eine Ausstellung, die einen wahren Schatz hebt. 1600 Foto-Platten konnte das Museum dank der Unterstützung des Fördervereins sowie durch Spenden von Günther Jauch und der Kommunikationsagentur „Brille und Bauch“ in Besitz nehmen. Kurator Peter Herrmann und Gestalter Peter Rogge standen nunmehr vor der schwierigen Aufgabe, aus der zum Teil nie gesehenen Bilderflut eine fassbare Ausstellung zu kreieren, die hundert Originalabzüge an den Wänden sowie nochmals hundert digital auf Monitoren vorstellt.

Gegliedert ist die Schau in drei Räumen entsprechend der drei Ateliers, die Ernst Eichgrün und nach dessen Tod Sohn Walter in Potsdam betrieben. Sie befanden sich in der Nauener Straße 27 (1899 bis 1907), dann in der Brandenburger Straße 63 (1907 bis 1934) und schließlich in der Charlottenstraße 93 (1934 bis 1957). Aufnahmen von den eigenen Räumlichkeiten hinterließen die Fotografen indes nicht. Dafür warteten sie neben Porträts mit Serien von Stadt-, Schloss- und Parkansichten auf. Ernst Eichgrün war auch dabei, wenn es Großereignisse gab, wie die Frühjahrsparade im Lustgarten oder das jährliche „Schrippenfest“, bei dem der Kaiser mit dem Lehr-Infanterie-Bataillon gemeinsam speiste. Er erinnert mit seinen Aufnahmen an die Glockenweihe der Erlöserkirche 1897, machte „Paparazzi-Bilder“ der kronprinzlichen Familie beim Fußball oder Eishockey. Die Fotos dokumentieren auch die Zeppelin-Geschichte sowie das Leben an der Hoffbauer-Stiftung auf Hermannswerder. Vater wie Sohn beleuchteten das reiche Potsdamer Vereinsleben von den Ruderern bis zu dem der Stenotypistinnen. Verloren gegangene Bauten wie die Zuckerfabrik von Jacob, die Gloriette auf dem Bassinplatz oder das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf der Freundschaftsinsel, das wohl eingeschmolzen wurde, verewigten sie ebenfalls für das Gedächtnis der Stadt.

Die Arbeiten des Vaters sind in der Ausstellung in Holz, die des Sohnes in Alu gerahmt. Auch Enkelin Gisela, die wie Tochter Margitta in vierter Generation ebenfalls fotografierte, ist mit drei Aufnahmen präsent. Sie nahm nach dem Tod ihres Vaters Walter 1957 einen Teil der Negative mit nach Braunschweig. Den anderen Teil bewahrte der Potsdamer Fotohändler Wolfgang Schwarz auf. Nun ist wieder alles zusammengefügt und kann von den Potsdamern bestaunt werden. „Bewusst setzten wir einen Kontrapunkt zu der Atmosphäre schaffenden Ausstellung ,Aus allerhöchster Schatulle in den oberen Räumen“, so Peter Rogge. „Wir wollten das Foto an sich wirken lassen, ohne Drumherum.“ Er wählte dazu eine barocke Hängung mit zwei Reihen übereinander, auch um möglichst viel zeigen zu können. Sowohl Ernst als auch Walter Eichgrün, der später Bildreporter bei der Potsdamer Tageszeitung war, hätten sich als Handwerker verstanden und nicht als Fotokünstler. „Aber ihre Arbeiten sind gestochen scharf“, unterstreicht Peter Rogge die Qualität.

Sollte diese Ausstellung ein Besuchererfolg werden, sei eine zweite für das nächste Jahr geplant. Darin könnten dann auch die noch nicht ausgewerteten Tonbandaufnahmen der Eichgrüns berücksichtigt werden, so Peter Herrmann. Zudem sei ein Bildband vorgesehen, der zu Weihnachten erscheine.

Insgesamt verfügt das Potsdam-Museum über rund 60 000 Fotografien, die am neuen Museumsstandort Altes Rathaus im Wechsel einen ständigen Platz finden sollen. Darunter natürlich Aufnahmen von Ernst Eichgrün, der zu den wenigen Fotografen seiner Zeit gehörte, der auch hinaus ins Leben zog. Und den schmückenden Titel Hoffotograf trotz der Verweigerung der Hohenzollern tragen durfte. Wenigstens die Herzöge von Mecklenburg sowie von Sachsen-Coburg und Gotha „adelten“ ihn mit dieser Prestige gebenden Anerkennung. Ehre, wem Ehre gebührt.

Ausstellung: „Neues aus dem Atelier Eichgrün": Fotografie in Potsdam von 1890 - 1957, bis 8. Februar 2009 im Museumshaus, Benkertstraße 3, Di - So 10 - 18 Uhr.

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