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Von Babette Kaiserkern: Auf Wacht

Filme, Lesungen, Zahlen, Fiktionen: Mauergedenken im Filmmuseum

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„Der Letzte macht das Licht aus!“, war ein sehr bekannter Spruch in der DDR. Mehrdeutig wie so manches, konnte er höchst unterschiedlich interpretiert werden, Reglementierung und Ausreisebegehren inklusive. Im restlos gefüllten Filmmuseum Potsdam freute man sich, als nach vier Stunden Gedenkprogramm das Licht wieder anging.

In überwältigender Fülle wurden dem Publikum Filme und Filmchen aus Ost und West, Zahlen, Texte, Bilder, Fakten und Fiktionen zur Berliner Mauer präsentiert. Einzig das Thema stimmte überein, doch sonst unterschieden sich die Beiträge in Motiven und Machart recht erheblich voneinander.

Bob Bahra, beim „Forum für die kritische Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg“ engagiert, hatte in Kooperation mit dem Bundes-Filmarchiv und der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ein buntes Programm zusammengestellt, dessen Vielfältigkeit Methode war.

Eröffnet wurde mit einem Film aus der westlichen UFA-Wochenschau, unmittelbar nach dem Mauerbau entstanden und ganz unter diesem Eindruck stehend: eine theatralische Anklage voller Pathos, die sich ebenso in Ernst Reuters Worten: „Völker der Welt schaut auf diese Stadt.“ spiegelte wie im hochdramatischen Monolog einer Schauspielerin. Dass hier blanker Hass verbreitet wurde, wie es in der Ankündigung hieß, lässt sich nicht bestätigen. Eher schon Nachdenklichkeit, wenn etwa der Missbrauch von jugendlicher Begeisterungsfähigkeit erwähnt wird und dazu Bilder von uniformierten Pionieren und einheitlich hochgereckten Armen zu sehen sind. Aufschlussreich sind auch die kleinen Gespräche, die der Belgier Frans Buyens 1964 mit Ost-Berlinern auf der Straße führte. Die erstaunlichen Antworten auf die schlichten Fragen reichen vom offenen „Wir sind hier eingesperrt“ bis hin zu überzeugter Verteidigung der Mauer und ihres scheinbaren politischen Zwecks.

Wie weit die Arme von Propaganda, Überwachung und Kontrolle reichten, zeigten die folgenden Beiträge. Im DDR-Dokumentarfilm „Ackerstraße“ (1973) kommen ein Abschnittsbevollmächtiger und ein Bewohner dicht an der Grenze zu West-Berlin ausführlich zu Wort. Da sich die Filmemacher dabei sehr zurückhalten, werden die Aussagen umso entlarvender, brisant und bisweilen kurios.

Ein krasses Beispiel filmischer Indoktrinierung ist der NVA-Schulungsfilm „Auf der Wacht an der Grenze“ (1979) von Reiner Bachmann. In diesem raffiniert gemachten ideologischen Produkt strotzen die Texte von politischen Phrasen, während flotte Unterhaltungsmusik und Agitationslieder zur Gitarre erklingen.

Auch die anschließende Lesung präsentierte höchst heterogene Haltungen. Das ging von Günther Grass wortgewaltiger Empörung am Tag nach dem Mauerbau in einem offenen Brief an Anna Seghers bis hin zu Florian Havemanns Schelmengeschichte über einen Mauerkletterer aus seinem autobiographischen Roman „Havemann“.

Als eindringlichstes literarisches Dokument erwies sich Klaus Schlesingers Text aus „Berliner Traum“, ein ebenso konkreter wie poetischer Text über Mensch, Macht und Gewalt. Dagegen flachte der Text von Mathias Frenzel aus seinem Wende-Roman „Flucht aus Versehen“ zwar etwas ab, konnte aber gleichwohl Betroffenheit erzeugen.

An der Lesung waren neben den genannten Autoren Hans-Jochen Röhrig aus Potsdam und Anja Kießling aus Berlin beteiligt. Neben einem ergreifenden Doku-Drama aus jüngster Produktion „Wenn Tote stören“ (Florian Huber 2007) gab es noch ein Video von Stefan Roloff zu sehen, das mit ruhigen Bildern von der Mauer aus westlicher Sicht einen ostentativen Kontrapunkt zur aggressiven Gehirnwäsche der vorherigen Propagandafilme setzte.

Zum Abschluss des denkwürdigen Abends zeigten Filmausschnitte von den Versammlungen in der Babelsberger Friedrichskirche von Kurt Tetzlaff, wie nach mehr als 28 Jahren Mauerherrschaft die friedliche Wendung zur Freiheit begann.

Babette Kaiserkern

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