Kultur: Aufgetaucht
Rayk Goetze zeigt seine Bilder im Potsdamer Lungenzentrum und auch im Rathaus von Montevideo
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Genüsslich zieht er an seiner selbstgedrehten Zigarette. Auch die nächste lässt nicht lange auf sich warten. Rayk Goetze lächelt verschmitzt bei dem Gedanken, dass gerade er die Eröffnung des Lungenzentrums im Klinikum Potsdam mit seiner Malerei begleitet. Ja, sogar ein Auftragswerk zum Thema Lunge wurde ihm übertragen. Anfangs wehrte er ab, als ihn Oberarzt Hans-Georg Gnauk um diese Ausstellung bat. „Man kennt doch solche Deko-Geschichten von Zahnarztpraxen und Banken. Das sind meist keine sehr spannenden Ausstellungssituationen.“ Doch der ihm bis dahin unbekannte kunstbeflissene Doktor hielt mit Vehemenz an seiner Absicht fest und klopfte schließlich den malenden Skeptiker weich. „Wer es so stark will, soll es haben. Den Wunsch, etwas anderes zu machen, im Sinne der Patienten, achte ich sehr.“
Nun wird Rayk Goetze also zum „Flurbespieler“ und hängt ab 19. Januar an die 30 Bilder oberhalb der Handläufe – zwischen den Türen auf Ebene 4 des „charmanten“ Nutzbaus der 80er Jahre. Da Goetze nicht gerade als Miniaturmaler gilt, wählt er ausschließlich Querformate aus. „Ich habe langsam Spaß daran.“ Der meist figürlich arbeitende Künstler wird bewusst auch zu abstrakteren Landschaften greifen: „Bilder als Fenster zur Welt“. Und auch seine beliebten Themen Wasser und Tanz werden als leichtfüßiges Capriccio gegen die Krankenhaus-Tristesse angehen. Das spezielle Thema Lunge betrachtet der Raucher lieber von philosophischer Seite und beruft sich dabei auf das „Stundenbuch des Herzogs du Berry“ aus dem 14. Jahrhundert, der auf die Verbindung des Menschen und seiner Organe mit dem Kosmos einging. Für Goetze symbolisiert nunmehr die Lunge das Tor zum Kosmos, „denn mit dem ersten Atemzug betreten wir die Welt.“
Und es gibt auch noch ein zweites Bild, das er eigens für die Ausstellung malte: „Atem holen“ – eine Replik auf die Vergangenheit des Malers als Schwimmer und Taucher. Goetze verbrachte seine Jugend zumeist unter Wasser, so auch an der Sportschule im Potsdamer Luftschiffhafen. Später wurde er Kampfschwimmer und Fallschirmspringen bei der Armee. „Ich hatte wohl als Kind nicht genug Krieg gespielt.“ Doch er kämpfte nicht nur gegen unsichtbare Feinde, er zeichnete auch wie verrückt. Als er nach vier Jahren bei der Volksmarine „ausgedient“ hatte, studierte er Malerei. Anfangs in Halle, dann wechselte er nach Leipzig: „Ich wollte die richtig harte Schule, auch auf musischem Gebiet.“
Als die Mutter seiner zwei Töchter aufgrund der Waldorfschule nach Potsdam zog, folgte er den Frauen. Das Wasser hatte der gebürtige Rostocker nunmehr direkt vor seiner Ateliertür: in der Speicherstadt. „Ich bin dort der einzige Platzhalter. Die ersten Kisten packte ich schon vor acht Jahren wieder ein, weil es hieß, es wird gebaut.“ Für seine erste Potsdamer Ausstellung in der Orangerie im Neuen Garten bezog er kräftig „Dresche“. „Wofür Leute in Leipzig hochgelobt wurden, fanden hiesige Kritiker schlimmste Schmähworte. Ja man hing mir sogar das Wort Nazikunst an, obwohl nur zwei Arbeiten monolithisch waren. Cool fand ich das nicht“, sagt der einstige Meisterschüler Arno Rinks. Aber gerade wegen der Kritik kamen wohl auch so viele Leute, und es wurde seine bestverkaufte Ausstellung. „Ich hatte geglaubt, es geht so weiter, habe in meiner jugendlichen Naivität unterschätzt, wie schwer es ist, Kontinuität herzustellen.“
Eigentlich sei er nie richtig in Potsdam angekommen, obwohl in den vergangenen zwei Jahren langsam eine Normalität des Austauschs einsetzte. „Ich hatte stets das Gefühl, wenn ich zum Strand fahren will, muss ich jedes Mal das Rad neu erfinden. Selbstvermarktung ist zwar etwas Wunderbares, aber es raubt Zeit zum Malen.“ Einen Galeristen fände er schon komfortabel, der seine Sachen „verkloppt“ und auch inhaltlich etwas anstößt. So wie es sich seit 2006 mit der Berliner Galerie Stefan Denninger anlässt. „Ich habe nicht wirklich eine Strategie, kann nicht sagen, dieses oder jenes ist mein Thema. Ich lasse mich von meiner sinnlichen Lebensauffassung treiben, sehe den Körper in seiner Zartheit, in seinem Spiel mit dem Licht.“ Auch seine ihm vertrauten „Untersichten“ aus dem Wasser spülen immer mal wieder nach oben und vom zeitgenössischen Tanz, bei dem der Körper bis zur Grenze der Belastbarkeit eingesetzt wird, dabei aber herrliche Bilder von Liebe und Schmerz zeichnet, fühlt er sich ebenfalls angezogen. „Ich mache jährlich Urlaub auf Hiddensee. Dort betanzt die Palucca-Schule immer eine Woche lang sämtliche Plätze. Aus der Neugierde füreinander ist eine Arbeitsbeziehung entstanden.“
Jetzt freut er sich nach der Ausstellungseröffnung im Lungenzentrum aber erst einmal auf eine völlig neue Begegnung. Er gehört zu den von einer Jury ausgewählten Potsdamer Künstlern, die ab 2. März auf Einladung der Batuz Foundation für drei Wochen nach Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, reisen. „Na, Hallo! Wenn das nichts ist“, jubelt der 42-Jährige und ist gespannt, wie sich das Klischee von einem sinnlich-farbigen Lebensgefühl Laienamerikas mit der Wirklichkeit vereinbart. „Vielleicht werde ich auch in der ersten Nacht beraubt.“ Obwohl er keine großen Pläne schmieden möchte, geistern doch schon Ideen durch den Kopf, wie die eines imaginären Reisetagebuchs mit eben diesen Klischees, das in einem zweiten, wirklich erlebten, münden könnte. „Ich würde gern etwas im Gepäck haben, aber mir auch die Option offenhalten, vor Ort zu reagieren.“ Allein mit der Gemeinschaftsausstellung im Rathaus von Montevideo wird er es bei seiner ersten Reise über den großen Teich sicher nicht bewenden lassen.
Rayk Goetze wird 2007 wohl noch öfter zu den Koffern greifen. Es zeichnet sich ab, dass er Potsdam den Rücken kehren und wieder nach Leipzig gehen wird. „Dort ist der Futternapf viel größer, aber es gibt auch mehr Hunde, die ihn umkämpfen. Ich will mich hier nicht einlullen, sondern mich einer Kunstbewegung, die radikaler ist, preisgeben. Härtere Konkurrenz lässt vieles auch klarer sehen.“
Manchmal hilft es, ein Stück weg zu gehen, um sich selbst näher zu kommen. Dieser Gedanke lässt sich bei einer Zigarette bestens weiter spinnen.
Vernissage im Klinikum am 19. Jan., 15 Uhr, Künstlerinfos: www.raykland.de
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