Kultur: Aus dem Schatten gespielt
Neue CD des Oboisten Albrecht Mayer und der Kammerakademie Potsdam
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Ein Klang von geheimnisvoll hell bis dunkel samtig: Weil ihre Ausdruckskraft der menschlichen Stimme sehr nahekommt, haben alle großen Komponisten die Oboe in ihre Werke eingefügt. Ein Musiker, der diese gesamte Bandbreite beherrscht, ist Albrecht Mayer, Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker von Weltformat. Seit einigen Jahren musiziert er überaus gern auch mit der Kammerakademie Potsdam, sowohl in Konzertsälen als auch in Aufnahmestudios.
Ganz frisch ist nun eine CD auf den Markt gekommen. Mayer nennt sie „Lost and Found“. „Ich war in Zürich auf der Tournee, fuhr zum Flughafen und sah dort das große Schild: Lost and Found. Die Gepäckaufbewahrung! Das hat mich inspiriert, ich wusste sofort: Das ist es! Konzerte, die im Laufe der anderthalb Jahrhunderte liegen geblieben sind, die Namen der Komponisten sind vergessen, obwohl sie damals populär waren und fantastische Musik geschrieben haben. Man kennt sie heute kaum noch. Und das wollte ich ändern“, erzählt der Starmusiker in einem Gespräch. Wer auf dem schier unübersichtlichen Tonträgermarkt auf sich aufmerksam machen möchte, muss etwas Besonderes bieten: neben der künstlerischen Spitzenleistung am besten zündende Ideen.
Kompositionen, die in der musikalisch ergiebigen Mozart-Zeit um 1780 entstanden sind, hat Mayer also mit der Kammerakademie Potsdam eingespielt (Label: Deutsche Grammophon), Werke, die im Konzertsaal wohl schon seit ihrer Entstehungszeit nicht mehr erklangen. Die Komponistennamen Franz Anton Hoffmeister, Joseph Fiala, Ludwig August Lebrun und Jan Antonin Kozeluh sind zwar nicht ganz aus den Konzertprogrammen von Solisten und Orchestern verschwunden, doch fristen sie weitgehend ein Schattendasein. Um sie daraus zu befreien, hatte Albrecht Mayer, der immer wieder neugierig auf unbekannte und vergessene Musik für Oboe oder Englisch-Horn ist, sich in Bibliotheken von Berlin, Genua und Mailand, Regensburg und Wroclaw umgesehen und Autographen gesichtet. Mehr als 100 Werke kamen ihm in die Hände.
Bei der Qual der Wahl wurde der Oboist von den Musikern der Kammerakademie tatkräftig unterstützt. Dutzende Werke haben sie mit ihm durchgespielt.
Herausgekommen ist also die CD mit Werken von Franz Anton Hoffmeister, der einst einen bedeutenden Musikverlag in Wien gründete, des Oboenvirtuosen Ludwig August Lebrun, der Mitglied der damals berühmten Mannheimer Hofkapelle war und der beiden böhmischen Oboisten Joseph Fiala und Jan Antonin Kozeluh. Fiala war übrigens befreundet mit Mozart, der das musikalische Können seines Freundes überaus lobte. Mayer bezeichnet das Musizieren der ausgewählten Oboenkonzerte als nicht leicht: „Sie benötigen eine große Leichtigkeit und Virtuosität, damit sie einfach und spielerisch wirken“.
Der Ton und die Interpretation machen bekanntlich die Musik. Beim Hören der CD kann man nur feststellen: Eins plus. Der Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker beeindruckt wiederum mit seinem weichen, zum Teil schwebenden Ton und durch eine Fülle von Klangfarben. Gemeinsam mit der in der Klassik sich sehr wohlfühlenden Kammerakademie Potsdam, die Albrecht Mayer selbst dirigiert, wird eine ansteckende Beschwingtheit erreicht, die begeistert. Klaus Büstrin
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