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Kultur: Aus verriegelter Zeit

Thalia sucht Zeitzeugen für Diskussion über DDR-Unrecht an Familien

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Noch bevor Celia Rothmunds bewegender Dokumentarfilm „Zeit ohne Eltern“ in der ersten Septemberwoche im Kino anläuft, plant das Thalia eine Vorpremiere sowie eine Podiumsdiskussion über Familien, die unter DDR-Unrecht gelitten haben. Nicht selten wurde der Nachwuchs von staatlichen Stellen als Vergeltung für oppositionelle Aktivitäten oder Fluchtversuche in Kinderheime oder zu den Großeltern gesteckt, auch Scheidungen wurden erzwungen.

Für die Diskussion sucht das Thalia betroffene Kinder und deren Eltern, die beispielsweise voneinander getrennt wurden und die dazu bereit sind, vor Publikum über ihre Erfahrungen zu sprechen. Daniela Zuklic, die die Veranstaltung im Thalia organisiert, betont allerdings, dass das Sprechen über oft traumatische Erfahrungen kein leichtes Unterfangen ist. Das zeigt auch Rothmunds Dokumentation, der in Interviewform die Geschichte zweier Familien nachzeichnet und in dem die Porträtierten mitunter vor laufender Kamera die Tränen nicht zurückhalten können. Die eine der betroffenen Familien ist die von Franziska Kriebisch. Sie war gerade in der Schule als die Männer ihre Eltern holten. Mit flauem Gefühl war die 10-Jährige im Frühjahr 1985 bereits morgens aus dem Haus gegangen, ihre Mutter hatte sie jedoch noch einigermaßen beruhigen können. Doch als das Mädchen dann mittags nach Hause kam, hatten sich ihre Befürchtungen bestätigt: Statt der Eltern, waren lediglich ihre Großeltern da – „Ich war allein“ ist bis heute die Erinnerung an diesen Moment.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch in Potsdam Familien gibt, die von derartigen Vorgängen betroffen waren, ist höher als man glauben mag. Das „Bürgerbüro Berlin - Verein zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur“ geht davon aus, dass nahezu eine Million Menschen in der DDR von Maßnahmen der Staatssicherheit betroffen waren, bei denen Familien auseinander gerissen wurden. Dass vorrangig Menschen bestraft wurden, die versucht hatten aus der DDR zu fliehen, machte es den Kindern und Jugendlichen umso schwieriger, sich in ihr Schicksal zu fügen. Oft blieb ihnen verborgen, welche „Verbrechen“ den Eltern vorgeworfen wurde, darüber reden durften sie nicht. Das zeigt auch der Fall der Familie Simon, dem zweiten Beispiel von Rothmunds Film. Diese war beim Versuch über die Tschechoslowakei in den Westen zu flüchten erst endlos durch Wälder entlang der Grenze geirrt und schließlich von der Polizei aufgegriffen worden. Die Mutter der damals ebenfalls 10-jährigen Jana ließ sich auf Druck der Behörden von ihrem Mann scheiden. Ihre Kinder konnte sie irgendwann wieder aus dem Kinderheim holen, ihren Mann hätte sie so jedoch beinahe verloren. Erst lange nach der Wende gaben sich die Eheleute in aller Stille erneut das Ja-Wort. Doch nicht immer enden die Geschichten versöhnlich. Die Familie von Franziska Kriebisch zerbrach an Vorwürfen und gegenseitiger Entfremdung. Obwohl alle ihre Mitglieder irgendwann legal in den Westen ausreisen durften.

Moritz Reininghaus

Wer an der Podiumsdiskussion möchte, meldet sich bei Daniela Zuklic, Telefon 0331/74 37 07 0 oder E-Mail: daniela.zuklic@thalia-arthouse.de.

Moritz Reininghaus

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