Kultur: Ausgebrannt
Acht Künstler interpretieren in der a-e-Galerie das Thema „Vom Verbrennungsmotor zum Burnout“
Stand:
Der Blick ist leer, der ganze Körper erstarrt. Aus der weichen Haut wachsen Baumpilze und nagen wie an totem Holz. „Still-Stand“ nennt Jan Beumelburg sein Bildpaar: Links der Mann, auf einer Klobrille sitzend, versunken zwischen weißen sterilen Badfliesen, rechts die Frau, die beim Tisch abwischen zu Wachs gerinnt. Beide schauen in verschiedene Richtungen, nehmen einander nicht wahr. So wie sie sich scheinbar selbst nicht mehr wahrnehmen, sich in einer inneren Höhle verkriechen. Zwei völlig erschöpfte Menschen. Jan Beumelburg malte für diese Ausstellung wohl auch den eigenen Panzer, hinter dem er nach einem Burnout verschwand. Der Brandenburger weiß, wie es sich anfühlt, wenn der Körper „verbrennt“. Und so gehören seine Bilder auch zu den eindrücklichsten der Ausstellung, die derzeit in der a-e-Galerie im Luisenforum zu sehen sind und verschiedene Künstlersichten vereint.
Überschrieben ist sie „Vom Verbrennungsmotor zum Burnout“ (Ausgebrannt), ein Wortspiel, das der Galeristin Angelika Euchner in den Sinn kam, als sie eine Ausstellung zu 125 Jahre Automobil plante. Schließlich kommt sie aus Baden-Württemberg, so wie einst Carl Benz, der „die Kutsche ohne Pferd“ erfand. Was dieser anfangs „unzuverlässige, armselige, lautlärmende Maschinenkasten“, wie Benz sein knatterndes Gefährt selbst nannte, auszulösen vermochte, hielt Lyon Feininger schon 1900 auf einer für ihn eher untypischen Zeichnung fest: auf „Das verhängnisvolle Automobil“. Deren Reproduktion wirft sozusagen den Motor an für die kleine Schau in der a-e-Galerie. Man sieht darauf das totale Chaos, ausgelöst von nur einem Auto, das einen Polizisten unter sich begräbt. Die Abgase hauen Mütter und Kinder wie Fliegen um, und wer kann, nimmt seine Beine in die Hand, um diesem stinkenden Vehikel zu entkommen. Nur auf der „Elektrischen“ dösen gemütlich zwei Männer.
Der Geschwindigkeitswahn nimmt indes weiter seinen Lauf. Reizüberflutung, wohin das Auge schaut, das längst nicht mehr mithält. Multitasking ist gefragt und Burnout immer öfter die Folge. Wohl nicht zufällig, wenn auch nicht so geplant, sind derzeit gleich drei Ausstellungen in Potsdam zum Thema Geschwindigkeit zu sehen: So auch im Kunstraum in der Schiffbauergasse und im Café 11-line in der Hermann-Elflein-Straße.
Ein Entrinnen aus dem Technik-Hype ist offensichtlich nicht möglich. Das führt Oliver Zabel in seinem „Stehaufmännchen“ ganz plakativ vor Augen. Er zeigt in der a-e-Galerie eine männliche Person wie aus einer alten Enzyklopädie. Alles wird geometrisch genau vermessen: Kopf, Umfang, Po. Ist sie in der Norm? Das Individuelle verschwindet in dem eisernen Vermessungsgestell. Auch Zabels Objektassemblage „pool“ erzählt von der Unmöglichkeit, die forschreitende Technik zu stoppen. Er bedient sich dabei eines alten Gerätes, in dem zwischen Plus- und Minus-Pol ein Widerstand eingebaut ist. Dazwischen klemmt eine Kinderhand, die versucht, den elektrischen Fluss aufzuhalten. Ein anrührender, doch hilfloser Versuch. Aber immerhin ein Versuch.
Wo also bleibt der Mensch? Eine Frage, die unterschiedlichste „Antworten“ liefert. Lothar Krone malte einen riesigen Stadtplan mit Häuserquartieren, Straßengeflechten und ein bisschen Grün darin. Doch die blauen Läufe sind keine Flüsse, wie man vermuten mag. Sie bilden den Umriss einer Roboterfigur, die in Auflösung scheint. Krone nennt sein Bild „Metropolis“ und schreibt damit Fritz Langs Film aus dem Jahr 1927 fort. Die Maschine zwingt dem Menschen ihren Rhythmus auf, bis er selbst Teil dieser Maschine wird.
In der letzten Ecke der Galerie hat sich Karikaturist Rainer Ehrt eingerichtet. Mit ihm wird’s nie gemütlich. Sein „Handy-man“ hält gleich acht Handys zwischen den Fingern. Der gelbbeschlipste Körper ist zusammengeschrumpft und steht auf Rollschuhen. Der Kopf gespenstisch groß, die Zähne gebleckt. Ein unangenehmer Zeitgenosse. Und doch einer, der das Sagen hat: Immer und überall. Nichts scheint schlimmer als ein Funkloch.
Der Blick des Besuchers geht aus dem Fenster hinaus in den Innenhof. Dort lädt eine Yoga-Schule zum Entspannen ein. Vielleicht der nächste Schritt – nach dem Burnout. Am Ende soll es trotz aller künstlerischen Stacheln, die in das leblose Fleisch der Erstarrung gerammt werden, auch in der Ausstellung humorvoll zugehen. So, wenn Angelika Euchner gemeinsam mit dem Künstler Walter Gramming zur Finissage die Gründerzeit beleuchtet. Und sie sich in dem Vortrag „Bosch, Benz and friends“ an den unzuverlässigen, lautlärmenden Maschinenkasten vor 125 Jahren erinnern: Auf der Fahrt zurück vom Burnout zum Verbrennungsmotor.
Mi und Fr 15 bis 19 Uhr, Sa 12 bis 16 Uhr. Finissage am 21. Oktober um 19 Uhr, Hermann-Elflein-Straße 18, Luisenforum
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