Neues Kammerorchester Potsdam: Bach, Brasilien und ein Saxophon
Konzertauftakt: Das Kammerorchester spielte mit der Solistin Asya Fateyeva.
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War das wirklich ein Saxophon? Es klang so lieblich und klar, leichtfüßig rannen die Töne, kein Schlieren, kein Quietschen, kein raues Seufzen, wie man es von einem Saxophon gern erwartet. Asya Fateyevas Sopransaxophon passte überraschend wunderbar zu Bach. Auch wenn, als Bach sein Konzert für Violine und Orchester g-Moll schrieb, das Saxophon noch gar nicht erfunden war und man hier eher eine Oboe als Soloinstrument vermuten würde. Doch das Neue Kammerorchester Potsdam hat die Saison nun mit einem Experiment begonnen und das Saxophon ins Kammerkonzert geholt.
Am vergangenen Freitagabend war Solistin Asya Fateyeva als klassische Saxophonistin mit den Potsdamer Musikern unter Leitung von Ud Joffe zu erleben. Die junge Künstlerin, geboren 1990 auf der Krim, studierte in Köln und Frankreich und derzeit in Hamburg. Sie hat schon einige Musikpreise eingeheimst, so gewann sie 2014 den dritten Preis des renommierten 6 e Concours International Adolphe Sax. Als erste Frau in der Wettbewerbsgeschichte konnte sie sich dabei gegen eine Konkurrenz von 109 Kandidaten durchsetzen. Ganz frisch wurde sie nun mit dem Echo Klassik ausgezeichnet, im Oktober findet die Preisverleihung in Berlin statt.
In Potsdam strahlte sie nach dem Konzert. „Wir Saxophonisten sind manchmal ein bisschen traurig, dass es keine originalen Bach-Stücke für uns gibt“, sagte sie. Umso schöner, dass sie bei diesem Konzert mit dabei sein durfte.
Der Abend in der Schinkelhalle begann mit einem Stück von Ottorino Respighi (1879 - 1936). Der Passacaglia aus „Alte Tänze und Arien für Laute“ von 1931 hörte man die Zerrissenheit zwischen beiden Jahrhunderten an – eine schöne Zerrissenheit. Mal schwermütig gesetzt, mal leicht tänzelnd schwebten die Streicher, passend zum wilden Farbenspiel der Dämmerung, das hinter den Musikern durch die Fenster leuchtete. Ohnehin: Die Schinkelhalle als Veranstaltungsort für den Saisonauftakt ist eine gute Idee gewesen. Hier sitzt es sich stets etwas lockerer, ein wenig weltverbundener und nicht so ehrfürchtig wie im angestammten Spielort Erlöserkirche. Auch das neue Konzept, zur Musik die Bar zu öffnen, kam gut an – selbstverständlich wurde nicht während des Vortrags ausgeschenkt. Der Saal war voll, die normale Bestuhlung wurde mit Tischen, Barhockern und bequemen Sofas aufgelockert. Sogar ein Kinderwagen passte problemlos dazwischen. Alexander Schulz, neuer Vorsitzender des Trägervereins des Orchesters, eröffnete das Konzert mit einem „Zum Wohl“ – dem Motto auch der kommenden drei Konzerte.
Sehr szenisch wurde es mit Musik von Nino Rota. 1966/67 schrieb der italienische Komponist das Konzert für Streicher – eine Filmmusik ohne Film, ein wunderbares Stück, das die Gedanken zum Spazierengehen einlud. Romantisch, lustvoll oder tragisch, mal traditionell, mal avantgardistisch beeindruckt Rotas Musik hier mit einer großen stilistischen Bandbreite. Nach dem dritten Satz traute man sich kaum zu atmen, dann ging es rhythmisch, pulsierend, fast im Stakkato zu Ende.
Noch einmal erklang Bach mit Saxophon, das warme Alt-Instrument legte sich mal wiegend und fließend, mal flehend oder würdevoll in den vollen Orchesterklang, ließ sich tragen und gab doch allem eine ganz spezielle Note. Der Bogen zur Neuzeit gelang mit der Fantasia für Saxophon und dem Kammerorchester von Heitor Villa-Lobos, einem verspielten, fröhlichen Stück, in dem bunte Vögel kreischten, Muße unter einer paradiesischen Sonne herrschte. Villa-Lobos’ Hommage an den großen Bach, Bachianas Brasileiras, setzte einen schönen Abschluss – das Saxophon sang die Arie, ein „gute Nacht“ auf sanften Vogelschwingen. Steffi Pyanoe
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