
© Mohr-Album Nr. 75
Von Klaus Büstrin: Bauen für die Bürger
Der Potsdamer Stadtarchitekt Reinhold Mohr wird mit einer Ausstellung im Alten Rathaus gewürdigt
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Als kleines Wunderwerk moderner Architektur wurde das Regattahaus im Luftschiffhafen bezeichnet. „Es schmiegt sich eigenartig schön mit seiner lebensbejahenden Farbigkeit in den Rahmen von Wasser und Wald. Einem Feenpalast wird die ganze Anlage gleichen, wenn abends über den nächtlichen See hin Hunderte von kleinen Lämpchen erstrahlen“, hieß es in einem Bericht aus dem Jahre 1925. Das Regattahaus ist noch heute eine der populärsten Schöpfungen des Potsdamer Stadtarchitekten Reinhold Mohr, der 1911 aus Süddeutschland in die preußische Residenzstadt kam und 43 Jahre in ihr lebte und arbeitete. Vier politische Systeme hat er erlebt. Und von allen Architekten, die je in Potsdam gewirkt haben, stand er am längsten in ihrem Dienst.
Eine Ausstellung, die am morgigen Tag des offenen Denkmals im Alten Rathaus eröffnet wird, versucht das architektonische Schaffen Mohrs für Potsdam in seiner Gesamtheit vorzustellen und zu würdigen. Der Verein ArchitraV e.V. hat unter der Leitung von Thomas Sander die informative Schau konzeptionell und gestalterisch erarbeitet. Mit ihr soll deutlich werden, dass das architektonische Bild Potsdams sich nicht auf die großen Baumeister des 18 und 19. Jahrhunderts beschränken lässt.
Reinhold Mohr war kein Hofbaumeister, er wurde vom Magistrat angestellt. Und somit hatte er in erster Linie Gebäude für die Bürger der Stadt zu entwerfen und zu bauen. „Mein sehnlichster Wunsch war, Potsdam farbig zu gestalten wie es wohl zu Friedrichs II. Zeit auch gewesen war. Dadurch erwarb ich mir viele Gegner“, schrieb Reinhold Mohr. Er wurde in seinen Anliegen aber von prominenten Kollegen wie Max Taut und Hans Poelzig unterstützt.
Der Wohnungsbau wurde eine der wichtigsten Aufgaben für den Stadtarchitekten. 1925 zählte man in Potsdam insgesamt 19 169 Wohnungen. Der Magistrat stellte fest, dass aber 1600 fehlen. Die Stadtverordnetenversammlung erklärte am 4. November 1927: „Die in Potsdam immer größer werdende Wohnungsnot, insbesondere der Mangel an Kleinstwohnungen sowie der Umstand, dass die Neubaumiete infolge Baukostenüberteuerung und wegen der Kapitalbeschaffung eine für Minderbemittelte unerschwingliche Höhe erreicht haben, erfordern dringend den Bau weiterer Wohnungen durch die Stadt“. Es wurde beschlossen, eine Siedlung an der Drewitzer Straße zu bauen, in der der Waldcharakter erhalten bleiben sollte. Kleine Wohnungen für Einzelpersonen entstanden, aber auch Raum für kinderreiche Familien. Die Wohnhaussiedlungen Nuthestrand, Unter den Eichen, Vorderkappe sowie in der Großbeerenstraße/Kleine Straße sind weitere Beispiele dafür, dass man in den zwanziger und dreißiger Jahren sich rege um den Wohnungsbau in Potsdam mühte.
Reinhold Mohr war äußerst produktiv. Auch manche Betuchte haben Reinhold Mohr mit architektonischen Entwürfen beauftragt. Beispielsweise der Berliner Bankier Herbert Gutman. Für seinen Sommersitz in der Bertinistraße am Neuen Garten, die mit manch bizarren Anbauten versehen wurde, entwarf Mohr 1927 eine Turnhalle. Doch private Aufträge konnten nur Ausnahmen bleiben, sie mussten von seinem Arbeitgeber, dem Magistrat, genehmigt werden.
Mohr bereicherte in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts das Stadtbild mit interessanten Bauten. Die Moderne konnte in Potsdam jedoch nicht so einziehen wie beispielsweise in Dessau mit dem Bauhaus. Die Stadt wurde schließlich von den konservativen Deutsch-Nationalen regiert. Da wurde an Traditionen eisern festgehalten. Reinhold Mohr schuf Bauten, die landschaftlich angepasst waren, aber auch mit expressiven Elementen versehen wurden. Große und vielfältige Aufgaben waren ihn mit der Umgestaltung des Luftschiffhafens zu einem Land-und Wassersportplatz beschieden. Der „Traum vom Luftfahrtzentrum Europas“, wie es sich Anfang des 20. Jahrhunderts Oberbürgermeister Kurt Vosberg wünschte, musste ausgeträumt werden. Der Versailler Vertrag sah nach dem Ende des Ersten Weltkrieges vor, dass Deutschland sich der Luftschifffahrt versagen müsse. Aus dem Luftsschiffhafen, in dem 16 Zeppeline gebaut wurden, entstand ein großer Sport- und Festplatz. Mohr schuf unter anderen das etwas heimattümelnd ausstrahlende Regattahaus, den in seiner Klarheit überzeugenden Musikpavillon Leider sidn die Bauten heute in einem erbärmlich schlechten Zustand.
Auch an der Umgestaltung des Alten Rathauses war Reinhold Mohr ab 1921 beteiligt. Hier arbeitete er mit Farben Stuckfriesen, Glasbausteinen für die indirekte Beleuchtung sowie mit figürlicher Malerei. Dafür holte er sich den Künstler Walter Bullert ins Boot, der ironische Bilder zum Umgang mit dem Geld malte. Ins Alte Rathaus zogen nämlich die städtischen Kassen und die Sparkasse. Das Alte Rathaus wurde während des Bombenangriffs im April 1945 zerstört. Die Erweiterung des Städtischen Krankenhauses im Jahre 1925 oblag ebenfalls seiner Verantwortung. Besonders in den Innenräumen arbeitete er mit Elementen der Moderne. Während der NS-Zeit konnte Mohr noch im Stadtbauamt arbeiten, durfte aber als Parteiloser keine verantwortliche Stellung mehr wahrnehmen. Als nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter Stadtbaurat Arno Neumann die Planungen für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Potsdams begannen, wurde Mohr mit der Erarbeitung grundlegender städtebaulicher Lösungsansätze betraut. Er blieb bis zu seinem 73. Lebensjahr als Architekt tätig, wurde aber tief enttäuscht. Er musste mit ansehen, dass im Krieg zerstörte und beschädigte Baudenkmale, die man hätte aufbauen können, von den SED-Oberen abgerissen wurden. Die städtebauliche Verarmung hielt in Potsdam Einzug. 1966, mit 84 Jahren, kehrte Mohr in seine Geburtsstadt Stuttgart zurück.
Bis 31. Oktober, Di bis So 10-18 Uhr, Altes Rathaus
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